In Lukas Kummers eindrücklichen Zeichnungen sehen wir, dass Thomas die Richtung zunächst in geografischer Richtung meint, also vom Stadtzentrum Salzburgs, in dem sich das Gymnasium befindet, wegläuft in Richtung Stadtrand. Sein Weg führt über das Arbeitsamt direkt in die berüchtigte Scherzhauserfeldsiedlung, „das Salzburger Schreckensviertel“ (S. 24). Bei dem Kaufmann Podlaha beginnt er eine Lehre in dessen im Keller liegenden Lebensmittelgeschäft. Wo andere die Vorhölle sehen, fühlt Thomas zum ersten Mal eine Zukunft aufkeimen. Denn so nützlich wie in einem Lebensmittelgeschäft, und mag es auch in einem Keller sein, ist man so kurz nach dem Krieg in einem armen Wohnviertel nur selten. Endlich ist Thomas in der Schule des Lebens angekommen.
„Mein Großvater hatte mich im Alleinsein und Fürsichsein geschult, der Podlaha im Zusammensein mit Menschen, und zwar im Zusammensein mit vielen und mit den verschiedensten Menschen. (…) Mein Großvater hatte mich die Menschen aus großer Distanz beobachten gelehrt, der Podlaha konfrontierte mich direkt mit ihnen.“ (S. 64)
Im Gegensatz zum Vorgängerband herrscht ein heiterer, fast optimistischer Erzählton, gespiegelt in lockeren Bildern, die Thomas zum Teil beim Bergwandern mit dem geliebten Großvater zeigen. Die Enge der großbürgerlichen Innenstadt taucht nur als Kontrast zum geräumigen Kellergeschäft auf. Wie auf Schwarzweißfotografien in einem Familienalbum gehen wir Thomas´ Weg in die Zukunft mit.
Lukas Kummer trifft erneut den Nerv des Textes mit seinen Zeichnungen. Da möchte man am liebsten auch gleich zum Einkaufen in den Keller des Podlaha laufen. Eine schöne Fortsetzung der Comicreihe zu Bernhards autobiografischem Werk!
Der Keller, Thomas Bernhard, Graphic Novel gezeichnet von Lukas Kummer, Residenz Verlag, Salzburg, 2019, 112 Seiten, 22,00 EUR
(Die Verwendung des Coverbildes erfolgt mit freundlicher Erlaubnis des Verlags. Ich danke dem Verlag für das kostenlos zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar.)
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