The Gap nennt man diesen schmalen Streifen Land, der die
silberne Skyline von Sydney vom offenen Meer trennt. Die Lücke, wie ein letztes
Atemholen, bevor die unwirtliche Welt beginnt. Schroffe, bräunliche Klippen,
eine Straße, die plötzlich im Kiesknirschen unter meinen Schuhen endet. Tief
ist der Abgrund vor mir, der meinen Blick hart auf einem Felsplateau aufschlagen
lässt. Mit jeder Woge atmet die Gewalt des Wassers aus und überzieht die Felsbank
mit schäumender Flut, bevor sie an der Wand direkt unter mir zerschellt und
meterhoch zerspringt in tausend Regenbogentropfen. Salzgeruch, Grassamen und
jahrtausendealter Staub liegen in der Luft. An der Klippe neben mir das
farbig-verblasste Wappen der „Dunbar“ deren Schiffbruch Unzählige ins nasse
Grab hinunterriss. Hinter mir sticht ein oranger Metallpylon wie ein
fremdartiges Gewächs aus dem Boden und ins Auge. Er bietet Hilfe an, die
Fernsprechleitung, die Lebensmüde aufhalten soll.
Mein Atem folgt dem rollenden Rhythmus der Wellen, der meine
Gedanken längst davongetragen hat. So viele zieht es hierher. Versunken
verweilen, müde versinken in ewigen Schlaf oder nur schnell Teil der Fototapete
im Hintergrund werden wollen die Besucher. Was alle eint ist die Sehnsucht nach
Ewigkeit. Verbunden mit allen Wassern der Welt, dem ewigen Kreislauf des Meeres
zusehen, das seit Menschengedenken an die Ufer brandet und Seefahrer aus der
alten Welt in die neue spült. Wen wundert es, dass mancher gerade diesen Ort
wählt, um für immer Teil der Unendlichkeit zu werden mit dem Wunsch, gedankenlos
wie die Wogen zu rollen.
So ist diese Lücke der Übergang von einer alten Existenz in
eine neue, jeder Besucher wie durch eine salzige Taufe befähigt, seine Welt mit
neuen Augen zu sehen auf dieser Insel, die einen ganzen Kontinent umfasst.
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Anka Willamowius, geschrieben im August 2022 im Rahmen eines
Workshops zum kreativen Schreiben, Fotos von der Autorin
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