Alan Bennett zum Tee dahaben – das würde ich wirklich gern einmal! Sicher kennt Ihr den britischen Erzählmeister und seinen Bestseller „Die souveräne Leserin“. Da aber weder die Queen noch der Autor vorbeischauen, mache ich mir selbst eine Kanne Tee. Länger als diesen auszutrinken dauert es nicht, sich die drei Kurzgeschichten dieses kleinen Bändchens zu Gemüte zu führen.
In „Miss Fozzard findet ihre Füße“ lernen wir eine Dame kennen, die viel Wert auf gepflegte Füße legt und sich diese nicht von jedem regelmäßig pediküren lassen würde. Nur auf Empfehlung ihres bisherigen Fußpflegers lässt sie sich auf eine neue Person ein. Natürlich plaudern die beiden in sittsamem Ton, wovon Miss Fozzard zuhause regelmäßig ihrem Bruder Bernard berichtet, den sie nach einem Schlaganfall versorgt. Was soll daran besonders sein?
Ebenfalls eine Dame mittleren Alters aus der Mittelschicht ist es, die in „Nächte in spanischen Gärten“ von einer Nachbarin zu einem Unglücksfall gerufen wird. Der Ehemann der Nachbarin liegt reglos auf dem Boden. Nun, das kann passieren. Man muss den Notruf wählen. Nach einer Tasse Tee zur Beruhigung.
Celia betreibt ein Antiquitätengeschäft, in dem sie kleine Möbelstücke und alte Teetassen verkauft. Sie hat ihre Prinzipien. Ihr kommen nur geschmackvolle Waren in den Laden. Eines Tages greift „Die Hand Gottes“ in ihr Geschäftsleben in einer Weise ein, die Celia sich nie hätte träumen lassen.
Allen Geschichten gemeinsam sind die alltäglichen Situationen, in denen sie spielen, und die ganz normalen Damen mittleren Alters, die sie erleben. Der Ton ist leise und britisch gesittet, unaufgeregt. Denn man wahrt natürlich die Höflichkeit und Contenance. Bis ganz zum Schluss die lapidar erzählten Ungeheuerlichkeiten, die man anfangs fast überlesen hat, einen Sinn ergeben und einen bösen Lacher. Ein Beispiel für die kleinen Spitzen ist etwa folgendes Zitat aus der ersten Geschichte:
„Was hat Bernard denn gearbeitet, Miss Fozzard?“, fragte er. „Um ehrlich zu sein, Mr. Dunderdale, er war Mörder“, sagte ich. „Ach“, sagte er. „Das ist ja ungewöhnlich.“ Ich sagte: „Na ja, er war Tabakhändler, was aufs Gleiche hinausläuft. Süßigkeiten und Tabakwaren, ein kleiner Kiosk in Headingley.“ (S. 17)
Ich mag diesen Erzählton, der mich gedanklich sofort in eine englische Kleinstadt katapultiert, und die Figuren, die immer mehr hergeben, als man zunächst vermutet.
Wer feinen britischen Humor liebt, ist bei Allan Bennett immer gut aufgehoben. Ich empfehle zur Lektüre dieses vergnüglichen Bändchens dringend eine Tasse Earl Grey bester Qualität.
Zum Tee, Alan Bennett, aus dem Englischen übersetzt von Ingo Herzke, Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2021, 80 Seiten, 9,00 EUR
(Die Verwendung des Coverbildes erfolgt mit freundlicher Erlaubnis des Verlags. Ich danke dem Verlag für das kostenlos zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar.)