Samstag, 25. September 2021

Herbst in Wien, Petra Hartlieb

Ich mag Wien und ich mag, wie Petra Hartlieb davon erzählt. Gerade ist der letzte Band des Wien-Quartetts um das ehemalige Kindermädchen Marie erschienen. Die Geschichte spielt zwischen 1916 und 1931.

Marie arbeitet inzwischen nicht mehr im Haushalt von Arthur Schnitzler, sondern ist mit dem Buchhändler Oskar Nowak verheiratet. Sie bekommt mehrere Kinder und führt gemeinsam mit ihrem Mann die Buchhandlung in der Währinger Straße, die wir schon aus den vorherigen Bänden kennen. Doch jetzt ist der 1. Weltkrieg ausgebrochen, Oskar muss an die Front. Wir erleben die Kriegszeit in Wien mit, die mit Kälte, Hunger und Tod einhergeht. Auch nach dem Krieg ist das Leben in Wien nicht einfach. Die spanische Grippe grassiert. Die Menschen haben andere Sorgen, als Bücher bei Oskar und Marie zu kaufen. Zum Glück ist auch die Freundin Fanny Gold wieder mit von der Partie, die der Familie hilfreich zur Seite steht.

Die Geschichte liest sich schnell weg, plätschert leicht dahin, ohne allzu seicht zu sein. Allerdings haben mich die Vor- und Rückblenden etwas verwirrt. Die Geschichte behandelt diverse Themen der Zeit zu Anfang des 20. Jahrhunderts und zeichnet anhand des Familienlebens einige Veränderung in der Gesellschaft nach. Soll eine verheiratete Frau arbeiten? Wie geht man mit ungewollter Schwangerschaft um? Ist es schicklich, wenn eine Frau allein in ein Restaurant geht oder gar unverheiratet bleibt? Was ist mit dem Frauenwahlrecht? Muss man die sich steigernde Judenfeindlichkeit ernst nehmen?

„Guten Tag, Herr Nowak.“

Die Türglocke riss ihn aus seinen Gedanken. Es war bereits elf Uhr, und Herr Schuster war der erste Kunde heute.

„Haben Sie Der Untergang des Abendlandes lagernd?“

„Nein, leider. Aber ich kann es bestellen, dann wäre es morgen da.“

„Sie sollten das Buch ins Schaufenster stellen. Großartiger Autor, dieser Spengler! Großartiges Werk. Aber das könnt ihr wohl nicht wertschätzen. Na gut, dann bestellen Sie es mir halt!“

Oskar biss sich auf die Lippen, sagte nichts und wusste genau, was Herr Schuster meinte. Mit „ihr“ war „ihr Juden“ gemeint. (S. 76)

Der Roman wirkt nicht ganz so aus einem Guss, wie die vorherigen. Die einzelnen Themen wirken etwas aneinandergereiht. Dennoch habe ich das Buch gern gelesen. Auch Arthur Schnitzler begegnen wir wieder. Ich mag Geschichten, in denen Buchhandlungen und Schriftsteller eine Rolle spielen. Vom Buchverkauf zu leben war vor hundert Jahren bereits eine Herausforderung, auch ohne die Konkurrenz elektronischer Medien. Ich bin gern mitgekommen in das Wien vergangener Tage.

Eine leichte Geschichte für einen Herbstnachmittag, den man gedanklich in Wien verbringen will. Trotz der Themen wie Krieg und Armut hat die Geschichte nichts Schwermütiges, sondern einen optimistischen Grundton. Das Wien-Quartett hat mir gut gefallen!

Herbst in Wien, Petra Hartlieb, DuMont Verlag, Köln 2021, 192 Seiten, 20,00 EUR

(Die Verwendung des Coverbildes erfolgt mit freundlicher Erlaubnis des Verlags. Ich danke dem Verlag für das kostenlos zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar.)

Zusatz-Info:

Den Vorgängerband "Sommer in Wien" habe ich ebenfalls rezensiert.

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