Ein Schweizer Autor zieht nach Island – was dabei herauskommt ist: Kalmann! In dem kleinen Ort Raufarhöfn im Nordosten der kalten Insel leben weniger 200 Personen. Einen besonderen Platz in der Gemeinschaft hat Kalmann. Manche nennen den Mitte-Dreißigjährigen den „Sheriff von Raufarhöfn“, andere den Dorftrottel. Richtig ist, dass Kalmann anders ist als viele, aber dumm ist er nicht.
Der Roman lebt von seiner Titelfigur und dessen unfreiwilligen Witz, der mehr Tiefgang hat als man zunächst annimmt. Mit der Schule hatte Kalmann nicht viel am Hut. Für das Leben hat er das meiste von seinem Großvater gelernt, der Kalmanns Talente immer zu schätzen wusste. Vom Großvater hat er die Herstellung von Gammelhai gelernt und zu seinem Beruf gemacht. Nein, nein, kein Lebensmittelskandal, sondern eine isländische Spezialität. Seinen amerikanischen Vater kennt Kalmann nicht wirklich, aber dieser hat ihm einen Cowboyhut, eine Weste mit Sheriffstern und eine alte Pistole mit Halfter vermacht, die Kalmann gerne trägt. In dieser Montur begibt er sich auf Fuchsjagd, als ihm dort eine Blutlache im Schnee auffällt. Natürlich interessiert sich die Polizei dafür, zumal einer der Dorfbewohner vermisst wird. Kalmann versucht bei der Aufklärung behilflich zu sein. Aber was ihn eigentlich interessiert ist, dass er keine Frau hat.
„Magga ging oft zum Friseur, wenn wir nach Húsavík fuhren, aber man sah nicht immer einen Unterschied. Beim ersten Mal, als ich natürlich sowieso nichts bemerkte, obwohl sie eine komplett neue Frisur hatte, erklärte sie mir, dass man in der Gegenwart von Frauen immer aufmerksam zu sein habe und ihnen Komplimente machen müsse, das mögen Frauen. Das war ein guter Rat von ihr, denn ich wollte gern eine Frau, hatte aber bisher noch keine gefunden, und darum war guter Rat teuer. Es war wichtig, dass ich alles richtig machte, und deshalb übte ich mit ihr, war immer aufmerksam und versuchte es zu bemerken, wenn sie eine neue Frisur hatte.“ (S. 152)
Es handelt sich nicht direkt um einen Krimi, auch wenn die Leserin zum Schluss weiß, was sich im Zusammenhang mit der Blutlache zugetragen hat. Vielmehr lernen wir die dörfliche Lebensweise in Island nebst ärgerlicher Fischfangquoten kennen, hüpfen durch ein paar Orte mit unaussprechlichen Namen und genießen Kalmanns ruhige Art. Kein Grund zur Sorge. Denn Kalmann kennt sich aus, hält sich an die Regeln und ist einfach ein herzensguter Kerl. Durch die originelle Sprache liest sich der Roman schnell weg. Man muss ihn einfach lieben.
Ein witziger Schmöker, gespickt mit isländischer Lebensweisheit und fünfhundertjährigem Gammelhai. Macht Spaß!
Kalmann, Joachim B. Schmidt, Diogenes Verlag, Zürich 2020, 352 Seiten, 22,00 EUR
(Die Verwendung des Coverbildes erfolgt mit freundlicher Erlaubnis des Verlags.)
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