Liane fühlt sich oft ein bisschen außen vor. In der Schule wird sie wegen ihres Namens gehänselt, den sie auch selbst nicht leiden kann. Zuhause fühlt sie sich von den Eltern nicht ernst genommen. Nie darf sie bei Entscheidungen mitsprechen! Und die Erwachsenen könnten sich auch etwas mehr Mühe geben, Lianes Fragen richtig zu beantworten. Davon hat Liane nämlich viele. Sie hinterfragt das Leben, die Aussprüche der Erwachsenen und will die Welt verstehen. Vielleicht liest Liane deshalb so gern. Außerdem fehlt es ihr nicht an Fantasie.
„Wenn du schön deinen Teller leer isst, dann gibt es morgen gutes Wetter.“
Einmal wurde es Liane zu viel und sie fragte ihre Mutter: „Mama, kann Gemüse Regen machen? (…)“
„Wie kommst du denn darauf?“
„Ich meine, wenn ich mein Brot nicht aufesse, sorgt es dann für ein Gewitter? (…)“
„Natürlich nicht. Was dir alles einfällt!“
„Warum sagst du dann immer, dass ich den Teller leer essen soll? Wenn das Essen nicht zaubern kann, wie soll es dann für gutes Wetter sorgen können?“ (S. 19)
Eines Tages findet Liane in der Schulbücherei einen seltsamen Globus. In Erdkunde kennt sie sich aus. Umso mehr staunt sie, weil es auf dem Globus einen ihr unbekannten Kontinent gibt, der die Form eines Buches hat! Liane erfährt, dass es sich um das Land der Geschichten handelt, das wegen der Fantasielosigkeit der Menschen in Not geraten ist. Liane möchte helfen und erlebt ein richtiges Abenteuer.
Die Tatsache, dass Kinder nicht mehr so viel lesen wie früher, wird in der Geschichte mit dem Klimawandel verglichen. Eine wunderbare Welt droht zerstört zu werden. Abhilfe ist nicht leicht. Liane steht schwierigen Aufgaben gegenüber, erfährt aber Ermutigung. Nicht aufzugeben, wenn es schwierig wird, keine Angst vor dem Versagen zu haben und Vertrauen in sich selbst zu erlangen, lernt Liane auf dem Weg.
Es ist eine Geschichte, die Kinder ernst nimmt und in positiven Bildern spricht. Man fühlt sich wohl beim Lesen, obwohl problematische Themen angesprochen werden. Fantasie und Neugierde versprechen Lösungen, und das nicht nur in der magischen Buchwelt, sondern auch in der Realität.
Eine hinreißende Geschichte für kleine Buchwürmer im Schulalter, die Kinder mit ihrer fantastischen Welt für die Hürden des echten Lebens stärken will.
Liane und das Land der Geschichten, Elif Shafak, aus dem Türkischen übersetzt von Gerhard Meier, Illustrationen von Zafer Okur, Verlag arsEdition, München 2020, 160 Seiten, 12,00 EUR
(Die Verwendung des Coverbildes erfolgt mit freundlicher Erlaubnis des Verlags. Ich danke dem Verlag für das kostenlos zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar.)
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