Es handelt sich um eine wunderschön erzählte Liebesgeschichte der 70jährigen Pariserin Marthe, die nach einer enttäuschenden, langweiligen Ehe ihre erste wahre Liebe erlebt. Ihr Erwählter ist der 80jährige Künstler Félix, den sie in einem Bistro kennenlernt. Die Dinge entwickeln sich langsam. Zuerst nickt man sich scheu von Ferne mit einer Tasse Kaffee zu. Eine Hand auf dem Arm, ein gemeinsames Gläschen – dabei empfindet Marthe schon die Tatsache, eine „Verabredung“ zu haben, als ungeheuer aufregend! Marthe hat guten Kontakt zu ihren beiden Kindern und drei quirligen Enkeln. Aber durch den „Mann mit den tausend Halstüchern“ und seinen Hund bemerkt sie erstmalig, dass sie trotz Familie ihr Leben lang sehr einsam neben ihrem inzwischen verstorbenen Mann gewesen ist.
„Félix konzentriert sich ganz auf seine Arbeit. Marthe spürt die Liebkosung des Kohlestifts auf ihren geschlossenen Lidern. Die Musik ist verstummt, gleichsam aus Rücksicht, um Félix‘ Konzentration und Marthes Träumereien nicht zu stören. Eines Tages wird Marthe ihm von der Küchenuhr erzählen. Dann wird sie ihm sagen, wie sich die Zeit in Bewegung gesetzt hat und dank der Ziffer Sieben, der Stunde der Verabredung, Gestalt angenommen hat.“ (S. 123)
Marthe merkt genau, dass ihr Körper zwickt, sie nicht mehr so schnell laufen kann und ihre Haut faltig geworden ist. Mit Würde und wunderschönen Worten erzählt die Geschichte jedoch, dass ehrliche Zuneigung und Liebe alterslos sind und auch mit über 70 körperlich gelebt werden können. Anrührend beschreibt Marthe, wie sich ein Mensch dadurch schön fühlen kann, dass ein anderer ihn mit liebevollen Augen ansieht. Sie denkt wieder an ihre Mädchenzeit, bevor ihr Vater sie verheiratet hatte, in der sie am liebsten eine Bluse mit leuchtend rotem Klatschmohn darauf trug. Diese musste sie als Ehefrau sehr bald gegen Kleider in gedecktem Blau eintauschen, die sie bis heute trägt. Félix aber bringt frischen Wind in ihr Leben, Farbe muss her! Sie dekoriert um, bekommt eine herrliche Stola geschenkt und wagt schließlich den Kauf eines neuen Kleides. Der ewig labberige Tee ist ihr zu langweilig, sie steigt auf Kaffee um. Auch mit 70 Jahren ist es nicht zu spät ein neues Leben zu beginnen und endlich die zu werden, die sie schon immer gern sein wollte, auch wenn sie es längst vergessen hatte.
Für den Vorgängerroman „Die Dame in Blau“ hat die 1944 geborene französische Autorin den Prix Anne de Noailles der Académie Française, 1987 für ein anderes Buch den Prix Goncourt de la Nouvelle gewonnen.
Eine bezaubernd romantische Liebesgeschichte ohne viel Kitsch, ein poetisches Wohlfühlbuch über die Entwicklung zu einer glücklichen Frau.
Die Klatschmohnfrau, Noëlle Châtelet, aus dem Französischen von Uli Wittmann, Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2001, 176 Seiten, 8,99 EUR
(Die Verwendung des Coverbildes erfolgt mit freundlicher Erlaubnis des Verlags.)
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