Samstag, 4. April 2020

Wenn das noch geht, kann es nicht so schlimm sein, Benjamin Maack

Triggerwarnung! Dieses Buch ist nichts für schwache Nerven. Nein, es ist kein Thriller oder Krimi, keine Dysthopie. Es ist das echte Leben mit Depression, mit Selbstmordgedanken.

Benjamin Maack beschreibt autobiografisch, wie er mit einer schweren Depression in eine psychiatrische Klinik kam. Und das tut er so authentisch, dass man die Leere, das Grauen, die Gedankenkreisel und den Selbsthass fast körperlich spüren kann. Er beschreibt seine Gedanken, seine Gefühle, sein Nicht-fühlen-können, seine Zweifel und die Wirkung der Medikamente. Er beschreibt auch ausführlich seine Gedanken an den Tod, an das Sterben, an die Gründe für einen möglichen Suizid. So unaushaltbar das Leben für den Autor zeitweise gewesen ist, so unaushaltbar sind manche Passagen des Buches, in denen er über verschiedene Todesarten und ihre Konsequenzen nachdenkt.

Benjamin (ca. 40) ist mit einer wunderbaren Frau verheiratet, hat zwei kleine Kinder und eine Arbeit. Aber es geht ihm schlecht. Er versucht immer verbissener zu funktionieren, bis er sich als eine Zumutung für die Familie empfindet und einfach nicht mehr kann. Das Leben hat seinen Sinn verloren und ist nur noch anstrengend. Zum zweiten Mal in seinem Leben begibt er sich in eine psychiatrische Klinik. Dort bemüht er sich, ein „guter Kranker“ zu sein. Ob er Stimmen hört? – Nein. – Dann ist es noch nicht so schlimm, wenn er keine Stimmen hört, oder? Oder denkt der Arzt jetzt, er sei gar nicht richtig krank? Nicht mal Stimmen hört er… Benjamin muss die Tage in der Klinik herumbringen. Er kann nicht richtig schlafen und fängt schon morgens früh an zu lesen. Denn solange er liest, ist er okay, denkt er. Oder er löst mit anderen Patienten 1000-Teile-Puzzle. Seine Selbstmordgedanken werden so stark, dass er auf die Geschlossene verlegt werden muss. Andere Medikamente werden eingesetzt. Schließlich wird Benjamin entlassen und muss in den Alltag zurückfinden, wieder funktionieren, unter Menschen gehen.
„Ich bin nett. Ich bin nett, damit die anderen mich mögen. Ich meine, ich bin nett, damit die anderen mich nicht hassen. Das erledige ich ja schon selbst. Darin bin ich selbst gut genug.
Ich bin leer. Wie fühlt sich das an? Wie immer. Der Druck im Kopf. Die aufeinandergepressten Zahnreihen. Die verwirrten Tränen hinter den Augen. Leere, die sich wie eine Trauer anfühlt. Worum? Kann grad nicht denken.“ (S. 133)
Benjamin Maacks Buch ist einerseits sehr persönlich und andererseits sehr universell. Depression ist so individuell wie der Mensch, der an ihr leidet. Und doch kehren bestimmte Empfindungen und Muster bei vielen Erkrankten wieder. Es ist ein mutiges Buch, das einen Einblick gibt, wie diese Erkrankung sich anfühlt, von der man so schwer erzählen kann. „Ist man gesund, kann man sich nicht mehr daran erinnern, wie es war krank zu sein.“, heißt es im Klappentext. Dennoch ist es wichtig darüber zu schreiben, weil psychische Erkrankungen noch immer stark stigmatisiert werden, obwohl sie allgegenwärtig sind.

Ein berührendes, verstörendes und lesenswertes Buch über das Leben mit Depression, das in seiner Offenheit zuweilen schwer auszuhalten ist.

Wenn das noch geht, kann es nicht so schlimm sein, Benjamin Maack, Suhrkamp Verlag, Berlin 2020, 336 Seiten, 18,00 EUR

(Die Verwendung des Coverbildes erfolgt mit freundlicher Erlaubnis des Verlags. Ich danke dem Verlag für das kostenlos zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar.)

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