Braucht jemand Motivation für einen Frühjahrsputz? Oder eine
sinnvolle Beschäftigung während des Lock Downs? Ausmisten ist derzeit Trend. Wie
man hört, sind die Recyclinghöfe und Müllkippen der Republik teilweise wegen
Überfüllung geschlossen, weil die Deutschen der Aufräumwut verfallen, wenn sie
mal nicht aus dem Haus gehen sollen.
Wer sich diesem Trend anschließen möchte, dem sei diese Sammlung
kurzer Texte empfohlen, die alle möglichen Aspekte des Themas beleuchtet. Doris
Dörrie hat speziell für diesen Band die Kurzgeschichte „Put-zen“ beigesteuert,
in der die Protagonistin herausfindet, dass im Putzen auch ein Zen-Aspekt
enthalten sein kann.
Mein persönlicher Favorit des Bandes ist aber Oliver Uschmanns
„Urlaub mit Wischmopp“. Der Erzähler fährt mit seinem Bruder Heiko in den
Urlaub. Andere Leute würden die Strecke mit dem Auto an einem Tag schaffen. Wenn
Heiko dabei ist, kann man das vergessen. Jedes Jahr das Gleiche, da helfen
keine Tricks und Ablenkungsmanöver. Selbst der Gang zur Toilette auf dem
Rastplatz kann zur Falle werden.
„Er stapft den Hügel hinauf in den Rasthof, (…) Als er nach drei Minuten wiederkommt, werfe ich den Motor an, doch Heiko schüttelt den Kopf. „Wir können noch nicht fahren. Die Toiletten da drin, das kann so nicht bleiben.“„Nein“, sage ich, doch er öffnet schon den Kofferraum, um seine Putzsachen zu holen. (…) Diese Freude in seinen stahlblauen Augen. Diese entwaffnende Euphorie. Wie seine Grübchen vor Vorfreude tanzen. Nicht weil wir gleich an den Strand gehen oder eine attraktive Frau mit ihm flirtet, nein. Er strahlt, weil er jetzt losziehen und das verdreckte Klo putzen kann.“ (S. 38)
Die Notwendigkeit des Aufräumens und Entsorgens ergibt sich
besonders oft im Zusammenhang mit dem Tod. Viele Kinder müssen das Elternhaus leerräumen
und finden dabei die absonderlichsten Dinge. Mancher hat dies zu seinem Beruf
gemacht und entsorgt als Entrümpler die Dinge anderer und gewinnt dabei oft ein
Bild derer, die zuletzt dort gewohnt haben. Eine Schwedin berichtet von der
Kunst, seinen Nachlass noch vor dem eigenen Tod selbst zu entrümpeln, um es den
Kindern zu ersparen. Staubsauger spielen erstaunlich oft eine Rolle. Seit Beginn
des 20. Jahrhunderts sind die faszinierenden Wunderwerke der Technik in Haushalten
zu finden. Ob sie immer auch benutzt wurden, ist eine andere Frage.
Manch philosophische Frage stellt sich beim Entrümpeln. Was
bleibt von einem menschlichen Leben? Was ist eigentlich der Unterschied
zwischen Horten und Sammeln? Ist ein Museum nicht auch irgendwie eine Art des
Hortens von Dingen, die man nicht wegwerfen mag?
Neben Kurzgeschichten finden sich auch Sachtexte in dieser Sammlung,
etwa die höchst vergnügliche Anleitung von 1907, wie die gute Hausfrau ihren
Haushalt täglich mittels Bürsten, Teppichklopfern und Einspannen des Hausmädchens
zu pflegen habe. Oder ein Auszug aus Karen Kingstons Ratgeber-Klassiker „Feng Shui
gegen das Gerümpel des Alltags“ mit nützlichen Tipps. Ich habe beim Lesen tatsächlich mit dem Putzen und Wegwerfen begonnen. Es steckt an!
Verschiebt das Aufräumen
auf morgen. Heute lest Ihr erstmal dieses Buch.
Morgen räum ich auf, ausgewählt von Shelagh Armit, Diogenes Verlag,
Zürich 2020, 240 Seiten, 10,00 EUR
(Die Verwendung des Coverbildes erfolgt mit freundlicher
Erlaubnis des Verlags. Ich danke dem Verlag für das kostenlos zur Verfügung
gestellte Rezensionsexemplar.)
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