Die fiktive Geschichte spielt 1937 in der Kleinstadt Baileyville,
Kentucky. Die Initiative der Präsidentengattin Roosevelt zur Stärkung von Literatur
und Bildung soll aufgegriffen werden durch Einrichtung einer mobilen Bücherei.
Zunächst finden sich kaum freiwillige Frauen. Viele Menschen in der kargen
Gegend sind skeptisch gegenüber anderen Büchern als der Bibel und halten es für
keine gute Idee, Frauen allein durch die Wildnis reiten zu lassen. Doch schließlich
startet ein zusammengewürfelter Haufen von Frauen das Projekt.
Leiterin der Bibliothek ist die furchtlose und eigenwillige
Margery O´Hare, eine unverheiratete Frau von Ende dreißig, die lebt wie sie
will und sich von niemandem reinreden lässt. Die Tochter der Vorsteherin des
Frauenvereins, Isabelle Brady, wird von ihrer Mutter zwangsverpflichtet, obwohl
sie aufgrund von Kinderlähmung nur mühsam gehen und kaum reiten kann. Beth
Pinker, die fluchen kann wie ein Kerl, ist mit von der Partie. Und schließlich
ist da Alice Van Cleve, die gerade aus England zugezogene Gattin des Sohns eines
reichen Minenbesitzers, die sich in ihrer neuen Heimat und in ihrer Ehe schrecklich
langweilt. Später stößt Sophia Kenworth hinzu, eine farbige Bibliothekarin.
Margery ermutigt die anderen Frauen zu ihrer Arbeit und
entdeckt in jeder von ihnen Potenzial. Sie macht die anderen mit der Umgebung
vertraut und spricht die rauen, skeptischen Bergbewohner an, um ihnen das Lesen
näher zu bringen. Sie tritt für Frauenrechte und Gleichberechtigung ein. Es ist
ihr gleichgültig, dass über sie getratscht wird. Auch will sie aus Prinzip
nicht heiraten, was sie von einer Beziehung zu einem Mann jedoch nicht abhält.
Alice fühlt sich im Haus ihres Mannes Bennet, das sie mit
dessen Vater teilen, wie eine Fremde. Alles muss so gemacht werden, wie es die
verstorbene Schwiegermutter gewollt hätte. Den Haushalt macht eine Angestellte.
Die Leute lachen über ihren fremden Akzent und Bennet scheint an Alice nach
anfänglicher Verliebtheit nicht wirklich interessiert zu sein. Er ist entsetzt,
als Alice sich eine neue Aufgabe sucht und in der Bücherei anfängt. Alice weiß
zu diesem Zeitpunkt noch nicht, an welchen Machenschaften die Familie ihres
Mannes in den örtlichen Minengesellschaften beteiligt ist. Dort werden Arbeiter
ausgebeutet und müssen unter gefährlichsten Bedingungen schuften.
„Wo soll’s denn hingehen?“Margerys Kopf fährt herum.Er schwankt leicht, aber sein Blick ist fest und direkt. Der Hahn seines Gewehrs ist gespannt, das sieht sie, und er trägt es wie ein Schwachkopf mit dem Finger am Abzug. „Jetzt schaust du mich an, was, Margery?“„Ich sehe Sie genau, Clem McCullough.“„Ich sehe Sie genau, Clem McCullough.“ Speichel sprüht, während er ihre Worte wiederholt wie ein gehässiges Kind auf dem Schulhof. Sein Haar steht auf der einen Kopfseite ab, als wäre er gerade aufgestanden. „Du siehst auf mich herab. Du siehst mich an wie Dreck an deinem Schuh. Als wärst du was Besonderes.“Sie war noch nie der ängstliche Typ, aber sie kennt diese Männer aus den Bergen gut genug, um keinen Streit mit einem Betrunkenen anzufangen. Ganz besonders, wenn er ein geladenes Gewehr dabeihat.“ (S. 9)
Insgesamt wirkt das Setting auf mich wie aus „Unsere kleine
Farm“ (nur weniger harmonisch), obwohl jene Geschichten 100 Jahre früher
spielen. Die Gesellschaft ist extrem konservativ, die Lebensumstände primitiv. Frauen haben zu gehorchen, hart
zu arbeiten, wenn sie arm sind und tugendhaft-zurückhaltend zu sein, wenn sie
wohlhabend sind. Häusliche Gewalt und Alkoholmissbrauch sind an der
Tagesordnung. Die Menschen sind streng religiös, Literatur wird als sittengefährdend
angesehen. Über Themen der Körperlichkeit kann nicht gesprochen werden, auch
nicht in der engsten Familie, geschweige denn bekommen die Frauen Informationen
über ihren Körper oder Geburtenkontrolle. Die reichen Minenbesitzer haben das
Sagen, sie bedienen sich der Korruption und Gewalt. Die fehlende Bildung der
kleinen Landbesitzer nutzen sie aus, um dort kostengünstig Kohle abzubauen.
Rassismus ist alltäglich, es herrscht Rassentrennung.
Dieses Gesellschaftssystem wird in Frage gestellt durch die
selbständigen Bibliothekarinnen, die Information und Bildung weitertragen sowie
ein Vorbild dafür sind, dass Frauen selbstbestimmt arbeiten können. Natürlich
geraten sie damit in Konflikt mit den Mächtigen, insbesondere mit den
Minenbesitzern und patriarchalen Ehemännern der Stadt. Die Geschichte lebt von
der Entwicklung, die alle beteiligten Frauen durchmachen, jede auf ihre Weise.
Es ist herzerwärmend, wie die Bibliothek mit spartanischen Mitteln in einem
alten Schuppen aufgebaut wird und Menschen nach Lesestoff dürsten. Natürlich
gibt es Liebesgeschichten und zum Schluss sogar einen krimiartigen Showdown.
Man hätte den Roman gut um 100-200 Seiten kürzer erzählen können.
Die Handlung ist in weiten Teilen vorhersehbar, die Charaktere etwas schwarz-weiß gezeichnet. Dennoch liest sich dieser
Unterhaltungsschmöker gut weg und macht Spaß, schon wegen der
leidenschaftlichen Bücherliebe. Ein bisschen Cowboyromantik wurde ungewöhnlich
verpackt, da es eben um Cowgirls geht, die trotz ihrer Verschiedenheit
schließlich durch enge Freundschaft und Zusammenhalt als Team verbunden sind.
Schöner Schmöker über
starke Frauen und das Geschenk des Lesens, mit etwas Gesellschaftskritik und
Liebesgeschichten vermischt. Macht auch mal Spaß.
Wie ein Leuchten in tiefer Nacht, Jojo Moyes, aus dem Englischen
von Karolina Fell, Wunderlich im Rowohlt Verlag, Hamburg 2019, 544 Seiten, 24,00
EUR
(Die Verwendung des Coverbildes erfolgt mit freundlicher
Erlaubnis des Verlags.)
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