Die Buch-Lady liest einen Fußball-Roman? Ernsthaft? Wer mich
kennt weiß, dass Sport im Allgemeinen und Fußball im Besonderen eigentlich
nicht zu meinen Interessen gehören. Auf „Nicht wie ihr“ bin ich aufmerksam
geworden, als es für den Deutschen Buchpreis 2019 nominiert wurde (es kam bis
auf die Shortlist) und der junge österreichische Autor auf dem Großen Longlist
Abend 2019 in der Hamburger Akademie der Künste aus seinem Debütroman
vorgelesen hat. Außerdem bin ich Deutsche und daher mit der „Fußballkultur“ und
unserem Nationalsport aufgewachsen. Ich erinnere mich an zahllose Abende in
meiner Kindheit, an denen ich mit den männlichen Mitgliedern der Familie vor
dem Fernseher saß. Ich wollte dabei sein, und es lief halt Fußball. Egal. Wenn
Deutschland in der WM spielt, schaue ich mir auch heute noch mal ein Spiel an. Ein
Phänomen sind die „Spielerfrauen“, die man inzwischen auf Instagram als
Influenzerinnen sieht. Sie sind auch ein Teil dieser Fußballkultur.
In dem Roman geht es um den österreichischen Profifußballer
Ivo Trifunović. Er ist 27, in Wien aufgewachsen und hat bosnische
Wurzeln. Ivo spielt in der österreichischen Nationalmannschaft und für einen
englischen Proficlub. Er lebt in London mit seiner Frau Jessy und den beiden
gemeinsamen kleinen Kindern. Es versteht sich von selbst, dass Ivo Multimillionär
ist und fünf PS-starke Autos sein Eigen nennt, darunter einen Aston Martin und
einen Bugatti.
Ivo erzählt im Buch von seinem Alltag als Profikicker und
reflektiert dabei sein Leben. Seine Tage sind streng durchgetaktet durch
Training, Spiele und Treffen mit seinem Agenten. Es wird gezeigt, dass es im
Profisport nicht um die Liebe zum Fußball, sondern ums Geldverdienen geht. Das
Familienleben hat sich am Sport auszurichten. Jessy organisiert alles mit Hilfe
einer Nanny, ist oft mit den Kindern allein und hat obendrein Ivos Launen
auszuhalten. Ivo ist mit 27 Jahren als Fußballer nicht mehr jung und muss sich
überlegen, was am Ende der Karriere noch kommen kann. Dann ist da noch Mirna,
eine frühere Schulkollegin von Ivo, die er plötzlich wiedertrifft. Alte
Begehrlichkeiten flammen auf.
„Er muss mit Mirna schlafen und der einzige Abend dafür ist übermorgen nach dem Spiel, wenn er vom ausgeschütteten Adrenalin eh nicht schlafen kann. Er versucht, sich den Zettel mit dem Zeitplan in Erinnerung zu rufen, (…) Er wird ihr das schreiben und er wird ihr schreiben, dass er nicht rauskann, weil ihn niemand sehen darf und dass sie zu ihm ins Hotel kommen soll. Dann liegt die Wahrheit einmal wirklich auf dem Platz und entweder er spielt gut und bekommt den nächsten Tag frei, oder er spielt scheiße und muss Mirna absagen. Oder er bricht sich den Fuß und verliert ein halbes Jahr seines Lebens.“ (S. 35)
Ivo kommt aus einfachen Verhältnissen, hat das Kicken auf der Straße
in einem heruntergekommenen Wiener Bezirk gelernt, war ein Niemand und bleibt für viele Österreicher Zeit seines Lebens ein „Ausländer“.
Inzwischen ist er einer der wenigen Glücklichen, die es im Profisport geschafft
haben, und nun lebt er in einer Welt, die er mit niemandem teilen
kann, der nicht selbst ein Teil davon ist. Er ist "nicht wie ihr". Niemand weiß von den Übungen mit dem
Kommunikationstrainer des Vereins, der größere Unfälle vor Journalisten
vermeiden soll. Oder von der Frustration für einen Topverein zu spielen, dann
aber jedes Spiel auf der Bank sitzen zu müssen.
Ich habe diesen Roman gelesen, weil ich wissen wollte, wie
so ein Fußballer wohl tickt. Ich muss sagen, die Hauptfigur im Roman deckt sich
mit meinen Erwartungen, um nicht zu sagen Befürchtungen. Ivo ist nicht gerade
ein Mann der Worte. Die Atmosphäre des Buches ist von einer ständigen
unterschwelligen Aggressivität getragen. Mit seiner Wiener Schnauze ist alles,
was Ivo nicht gefällt „oasch“ und jeder, den er nicht mag wahlweise ein
Hurensohn, ein Lappen oder ein Opfer. Mit seinen Gefühlen kann Ivo meist nicht
so gut umgehen, weswegen er am liebsten Leuten „in die Pappn haun“ würde. Das
tut er zum Glück meist nicht, sondern setzt sich stattdessen in sein Auto und
fährt mit überhöhter Geschwindigkeit ziellos herum, um den Kopf frei zu
kriegen. Trotzdem „zuckt“ Ivo öfter aus und schreit herum. Sex und „Geilheit“
stehen ganz oben auf seiner Bedürfnisliste, an seiner Frau gefallen ihm ihre
perfekten Brüste. Von den Kindern weiß er wenig, auch wenn er sie sehr liebt.
Seinen vier Monate alten Sohn scheint er nicht als Mensch wahrzunehmen, da er
davon spricht, dass der irgendwann älter sein wird, so dass er dann (nicht
jetzt) einen Sohn haben wird.
Ivos Reflexionen über den alltäglichen Rassismus im Fußball und das Leben an sich
bleiben oberflächlich. Die Handlung des Buches erschöpft sich in der Beschreibung
des Alltags und der kurzen Affäre mit Mirna. Ivo wirkt wie eine Fussballmaschine,
der froh ist, wenn er die Gedanken abstellen und auf Autopilot schalten kann. Mir
ist Ivo unsympathisch, ich hätte keine Lust mich mit ihm zu unterhalten. Als Einblick
in den Kopf so eines Menschen, mit dessen Lebenswirklichkeit die meine nichts
gemeinsam hat, ist das Buch interessant, aber die Story ist für 300 Seiten zu
dünn und zog sich zu sehr. Dabei kann ich nicht immer trennen, ob die Langeweile
ein Teil des Charakters der Hauptfigur oder dem Schreibstil zuzuschreiben war. Ich
kann innerhalb des Romans keine persönliche Entwicklung bei Ivo erkennen. Das
dramatische Ende scheint eine Entwicklung anzudeuten, die auf den letzten vier
Seiten dann aber gänzlich zurückgedreht wird.
Die Welt des
Profifußballs im Roman dargestellt, ist streckenweise interessant, aber
insgesamt nicht meine Welt. Möglicherweise ein größerer Genuss für echte
Fußballfreunde.
Nicht wie ihr, Tonio Schanchinger, Verlag Kremayr & Scheriau,
Wien 2019, 304 Seiten, 22,90 EUR
(Die Verwendung des Coverbildes erfolgt mit freundlicher
Erlaubnis des Verlags.)
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