Seit 30 Jahren hält Hédi Fried Vorträge über ihre Erlebnisse
in Schulen. Hierbei ermutigt sie die Kinder stets, ihr Fragen zu stellen. Sie betont,
dass es keine dummen Fragen gebe, nur Fragen, auf die es keine Antwort gibt.
Die wichtigsten und häufigsten Fragen sowie ihre Antworten darauf hat Hédi Fried
in diesem Buch zusammengestellt.
Kinder wagen in ihrer direkten Art manchmal Fragen zu
stellen, vor denen Erwachsene zurückschrecken. Zu privat erscheinen sie, um sie
einem fremden Menschen zu stellen. Das ist das Erfrischende an diesem Buch. Da
gibt es z.B. die Frage, wie es im Lager war, seine Periode zu haben, oder ob es
auch nette SS-Soldaten gegeben habe. Die Kinder wollten wissen, ob Hédi Fried
nachts im Lager geträumt habe und wie es war, dass sie zusammen mit ihrer Schwester
im Lager war. Was war das Schlimmste, das sie erlebt habe, wurde gefragt, und
auch, was war das Beste? – Das Beste? Gab es so etwas in einem KZ? Hédi Fried
beantwortet geduldig jede dieser Fragen. Die Vermittlung von Faktenwissen ist
ihr nicht so wichtig. Sie möchte die Kinder nicht nur im Kopf, sondern in den
Herzen erreichen. Sie möchte, dass die Kinder durch ihre Detailfragen wirklich
verstehen und sich vorstellen können, wie sich das Leben in einem
Konzentrationslager angefühlt hat.
„Kurz gefasst kann man sagen: Es war, als würde man in einer grauen Blase leben. Die Erde war grau vom Staub, die Baracken waren grau, die Gefangenenkleidung war grau, der Himmel war grau von all dem Rauch. Es war ein Leben in der Schwebe. Die Zeit existierte nicht, man wusste nicht, ob man einen Tag, ein Jahr, das ganze Leben dort war.“ (Wie war es, im Lager zu leben?, S. 45)
Das Buch behandelt Fragen nach den Ursachen des Faschismus,
der Ankunft im Lager, dem Alltag dort, aber auch nach der Zeit danach, der Aufnahme
in Schweden und ob sich Hédi Fried eigentlich als Schwedin fühle. Die Frage
nach fortdauerndem Hass gegen die Deutschen wird nicht ausgespart, nach ihrem
Umgang mit Neonazis und ihrer Meinung zu heutigen Flüchtlingen. So schlägt das
Buch einen weiten Bogen vom frühen Antisemitismus weit vor dem 20. Jahrhundert
über die Nazizeit und die Nachkriegsjahre bis heute. Die Antworten sind so
formuliert, dass Kinder sie verstehen können. Aber auch für Erwachsene sind sie
sehr interessant. Die Autorin erlaubt uns, sie ein wenig kennenzulernen. So ist
ihr Buch persönlich und anrührend, ganz ohne Bitterkeit oder Anklage. Man
merkt, wie stark die Autorin, die selbst Psychologie studiert hat, sich mit
ihren Erlebnissen auseinandergesetzt hat. Sie senkt die Hemmschwelle, über die
Details des Holocaust zu sprechen. Und das ist so wichtig.
Ein anschauliches
Buch gegen das Vergessen in moderner Form, gut lesbar und anrührend persönlich.
Fragen, die mir zum Holocaust gestellt werden, Hédi Fried,
aus dem Schwedischen von Susanne Dahmann, DuMont Buchverlag, Köln 2019, 160
Seiten, 18,00 EUR
(Die Verwendung des Coverbildes erfolgt mit freundlicher
Erlaubnis des Verlags.)
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