Das Buch handelt vom Grauen des Ersten Weltkriegs. Ihm eilt
der Ruf voraus, sehr Grausames zu schildern, so dass ich mich erst jetzt
anlässlich eines Buddy Reads auf Instagram getraut habe, es zu lesen. Das war
eine gute Idee, da der Text wirklich erschütternd ist und der Austausch mit den
anderen sehr hilfreich war.
Die Geschichte spielt in der Zeit von 1916 bis 1918, beginnt
also zwei Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Der Schüler Paul Bäumer
meldet sich als 18jähriger freiwillig zum Militär, zusammen mit mehreren
Klassenkameraden. Er kommt an die Front in Westflandern und erlebt u.a. die
Schlacht von Langemarck im August 1917 mit. Geschildert werden die
Rekrutenausbildung, das Kampfgeschehen an der Front einschließlich Gasangriff,
aber auch ein Heimaturlaub und die Situation im Lazarett. Dabei darf man davon
ausgehen, dass die detaillreichen Schilderungen authentisch sind, da der Autor im gleichen
Alter wie die Figur Paul Bäumer war, als er 1916 eingezogen wurde.
In schnörkelloser, sachlicher Sprache berichtet Paul Bäumer
das, was eigentlich unaussprechlich ist. Was die Soldaten während des Urlaubs
zuhause nicht über die Lippen bringen, was ihnen auch niemand vorher gesagt
hat, als man sie dazu drängte, sich freiwillig zu melden. Das militärische
Gerät ist noch rudimentär. Zwar gibt es Flugzeuge, aber hauptsächlich wird von
Hand gefeuert oder sogar im Nahkampf mit dem Bajonett gekämpft. Die Wagen mit
dem Nachschub werden von Pferden gezogen. Die Deutschen haben keine Panzer, zum
Schluss wohl aber ihre Gegner. Für die Soldaten bedeutet dies, dass sie dem
Gegner Auge in Auge gegenüber stehen, sehen, wen sie da töten, das Leiden
mitansehen und merken, dass auf der anderen Seite junge Männer stehen, die
ihnen sehr ähnlich sind. Das alles beschreibt der Autor ohne jede
Sentimentalität. Gerade dies macht die Schilderung so eindrücklich.
Ein solcher Kampf funktioniert nur, wenn man alles
menschliche Mitgefühl verdrängt. Paul beschreibt, wie er meint zum Tier zu
werden, alle Menschlichkeit abstreift, nur noch an den Kampfbefehl denkt und
dabei verzweifelt versucht, sein Leben zu retten. Er sieht Kameraden sterben
und merkt, dass er sich keine Trauer erlauben kann. Sie würde ihn zermalmen. Er
weiß aber selbst, dass die Verdrängung nicht ewig funktionieren wird.
Spätestens nach dem Krieg wird alles zurückkommen, wird er die schlimmen Bilder
und die Schuld verarbeiten müssen. Paul weiß, dass er ein völlig anderer Mensch
geworden ist, der nicht in sein altes, heiles Schülerleben zurückkehren können
wird. Und gerade dass Paul all die Verrohung, der Wahnsinn des Leidens und die
Sinnlosigkeit des Krieges so deutlich bewusst sind, ist das Schlimmste.
„Albert spricht es aus. ‚Der Krieg hat uns für alles verdorben.‘Er hat recht. Wir sind keine Jugend mehr. Wir wollen die Welt nicht mehr stürmen. Wir sind Flüchtende. Wir flüchten vor uns. Vor unserem Leben. Wir waren achtzehn Jahre und begannen, die Welt und das Dasein zu lieben; wir mussten darauf schießen. Die erste Granate, die einschlug, traf in unser Herz. Wir sind abgeschlossen vom Tätigen, vom Streben, vom Fortschritt. Wir glauben nicht mehr daran; wir glauben an den Krieg.“ (S. 66/67)
Wer dieses Buch gelesen hat, kann den Reden von
Kriegstreibern keinen Glauben mehr schenken, wird begreifen, was Krieg wirklich
bedeutet und dass es niemals Sieger dabei geben kann. Das exemplarische
Schicksal von Paul Bäumer und seinen Kameraden macht deutlich, dass selbst ein
formal gewonnener Krieg nur um den Preis einer seelisch verstümmelten
Generation zu haben wäre. Ich wünschte, jeder würde dieses Buch lesen und nie
mehr davon reden, dass man Konflikte militärisch lösen müsse.
Ein großartiges Stück
Literatur durch die Erzählweise. Ein Mahnmal gegen jede Art von Krieg. Der
Roman sollte Pflichtlektüre für jeden sein.
Im Westen nichts Neues, Erich Maria Remarque, Verlag Kiepenheuer
& Witsch, Köln 2009, 224 Seiten, Preis der aktuellen, neueren Ausgabe: 8,99
EUR
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