Olivia ist Nachrichtensprecherin beim Fernsehen und
eigentlich viel zu hübsch für das kleine Kaff. Sie ist der Traum vieler Männer,
die ihr jeden Abend von ihren Wohnzimmern aus zusehen. Elena und ihr Sohn Paul
verlassen nur selten das Haus, seit sie beide einen Nervenzusammenbruch erlitten
haben. Luke sucht Ablenkung in der Musik und gründet mit Freunden eine Punk Band.
Stephanie ist Lehrerin am Community College. Sie möchte ihr Bestes für die
Studenten geben, obwohl sie seit langem keine feste Stelle bekommt. Und das
sind nur einige der Charaktere, die wir im Verlauf des Buches kennenlernen.
Alkohol spielt eine Rolle in dem Städtchen. Denn es gibt zu viel Langeweile. So
richtig viel passiert dort nicht. Aber ist das nicht überall auf der Welt so?
Alle Figuren wirken realistisch, so verschroben manche auch
sind. Wir hören ein Stückchen ihrer Geschichte. Ihnen sind Dinge passiert, die
vielen Menschen passieren. Sie sind enttäuscht oder verlassen worden, haben
einen lieben Menschen verloren oder sind bei schlechter Gesundheit. Das Leben
hat sie eben zu denen gemacht, die sie jetzt sind. Der Zustand zu Beginn der Geschichten
ist oft ein bisschen deprimierend. Aber alle Charaktere rütteln an den
Gitterstäben ihres Gefängnisses, das meist in ihnen selbst steckt. Sie finden
sich nicht ab mit ihrer Situation, sondern wagen Gehversuche außerhalb ihrer
Komfortzone. Zuweilen scheitern sie. Aber zumindest versuchen sie etwas. Das
macht sie so interessant.
„Die Straßen waren mittlerweile so vereist, dass Matt in einem Hotel würde übernachten müssen. Schon sein ganzes Erwachsenenleben lang hatte er irgendwann irgendeine Nacht in irgendeinem Hotel verbringen wollen. (…)Als er zu seinem Zimmer im zweiten Stock kam, betrachtete er das breite Doppelbett und fragte sich, was bis zum Ende der Nacht dort wohl passieren würde.“ (Eine Nacht im Ramada Inn, S. 164/165)
Weshalb werden gerade diese schrulligen Typen in der
amerikanischen Provinz beschrieben? Dazu sagt der Autor:
„Wenn ich es recht bedenke, verkörpern diese Figuren entweder Aspekte von mir, die ich gern verbergen möchte, oder Aspekte von mir, die mir im Laufe der Jahre abhandengekommen sind und die ich gern zurückhaben würde.“ (S. 310)
Die Geschichten sind gut erzählt, lesen sich flüssig und unterhaltsam.
Manche Charaktere sind rührend, weil ihr Anspruch an das Glück im Leben so
bescheiden und gleichzeitig so unerreichbar scheint. Sie wünschen sich das, was
wir uns alle wünschen: ein bisschen Beachtung, Spaß und einen sinnvollen Tag.
Was sie alle noch haben, ist ein Fünkchen Hoffnung, aus dem sie das Beste machen.
Und gerade das macht den Reiz dieses Buches aus.
Das alltägliche Streben
nach ein bisschen Glück in einer x-beliebigen Kleinstadt wird auf anrührende
Weise erzählt. Der Leser kann sich an jeder Stelle fragen, ob es sich nicht
lohnen würde, selbst auch einen Schritt nach draußen zu wagen. Was traust Du Dich heute?
Irgendwann wird es gut, Joey Goebel, aus dem Amerikanischen
von Hans M. Herzog, Diogenes Verlag, Zürich 2019, 320 Seiten, 22,00 EUR
(Die Verwendung des Coverbildes erfolgt mit freundlicher
Erlaubnis des Verlags.)
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