Aber die Idylle trügt. Es gibt Streit in der jüdischen Familie. Yankele überlegt verzweifelt, was er falsch gemacht hat, da er es nicht hat verhindern können. Hat er die Kinder falsch erzogen, ihnen nicht den Wert der Familie beigebracht? Und hat er ihnen nicht alles gegeben, was sie für ein sorgenfreies Leben brauchen? Die Firma, die er mit Dora aufgebaut hat, könnte sie alle gut ernähren. Warum nur? Und was ist zu tun?
Yankele und Dora sind seit über sechzig Jahren verheiratet
und einander von Herzen gut. Früher lebten sie noch in Berlin. Nach dem
schrecklichen Krieg haben sie sich kennengelernt. Sie wollten eine Familie
gründen, denn ihre bisherigen Familien waren ausgelöscht worden. Darüber wollen
sie nie wieder sprechen. Nur die Zukunft ist wichtig. Während einer
Familienfeier kommt es zum Eklat. Yankele weiß nicht warum. Ein Gespräch scheint
nicht möglich. Schließlich kommt er auf eine sehr moderne Idee, nachdem er ein
Elektronikfachgeschäft aufgesucht hat. Ob das hilft?
„Ich holte tief Luft und murmelte: Gam zu le'toyveh. Auch das wird zum Guten sein. Gam zu le'toyveh. Es muss so sein, dachte ich und spürte, wie neue Hoffnung aufkam und sich in mir ausbreitete wie Milch, die man in eine Tasse Kaffee gießt. Sanft und vielversprechend.“ (S. 119)
Dieser spannende und ergreifende Roman schildert familiäre
Beziehungen auf allen Ebenen, die zwischen Geschwistern, Eltern und Kindern und
zwischen Eheleuten. Die Konflikte betreffen alle Generationen. Gerade mit
denen, die einem am nächsten stehen, gelingen Gespräch, Nähe und Versöhnung oft
am wenigsten. Jeder hat Verletzungen und hat seinen Weg gefunden, damit umzugehen,
damit zu leben. Der Weg ist nicht für alle der gleiche.
Die Geschichte setzt sich nach und nach aus Bruchstücken
zusammen. Vieles bleibt zunächst unverständlich, viele Antworten bleibt der
Roman bis zum Schluss schuldig. Liebevoll werden die Charaktere Yankele und
Dora ausgearbeitet, mit ihren Schrullen, Wünschen und Ansichten. Der Duft des
Kaffeeimperiums ist allgegenwärtig und steigt aus den Seiten empor. Er
vermischt sich mit dem Geruch des alten Europa, auch wenn niemand dies
ausspricht. Viel bleibt der Phantasie des Lesers überlassen, gerade an dem –
für mich unbefriedigenden – Ende. Der Roman ist an einigen Stellen atmosphärisch
dicht, an anderen episodenhaft brüchig, eine spannende Mischung aus
unterschiedlichen Erzählweisen.
Ein anrührender
Familienroman, in dem jeder sich erkennen wird, der eine Familie hat oder aus
einer stammt. Große, generationenübergreifende Konflikte, auf knappem Raum
erzählt. Ein tolles Buch!
Hertzmann’s Coffee, Vanessa F. Fogel, aus dem Amerikanischen
von Eva Bonné unter Mitarbeit von Vanessa F. Fogel, btb Verlag, Random House
Gruppe, München 2015, 320 Seiten, 10,99 EUR
(Die Verwendung des Coverbildes erfolgt mit freundlicher
Erlaubnis des Verlags.)
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