Das reich illustrierte Buch ist groß und dicker, als man bei
einem Kinderbuch vermuten würde, ganze 200 Seiten. Die Aufmachung ist fulminant,
die Farben sprühend. Ein
rundum gelungenes Gesamtpaket, ein richtiges Schatzkästlein.
Die Geschichte hat es in sich. Der Erzähler Julian lebt mit
seiner Familie in Norwegen und ist fast 10 Jahre alt. Er hat am 24. Dezember
Geburtstag. Deshalb haben ihn seine Eltern Julian genannt, weil Weihnachten auf
Norwegisch Jul heißt. Könnt Ihr erraten, in welchem Monat seine kleine
Schwester Augusta geboren wurde? Eigentlich hat Julian noch eine Schwester,
eine ältere. Aber Juni ist vor einem halben Jahr ganz plötzlich gestorben.
Seitdem ist in Julians Familie nichts mehr wie es vorher war. Weihnachten steht
vor der Tür, aber das Haus der Familie ist genauso grau wie die Gesichter von
Julians Eltern. Die einst quirlige Familie ist still geworden. Julian beginnt
sich zu fragen, ob Weihnachten vielleicht dieses Jahr ausfallen wird.
Eines Tages begegnet Julian Hedvig. Sie hat rote Haare und
viele lustige Sommersprossen, ihre Augen leuchten und ihr Lachen ist einfach
ansteckend. Wie ein roter Wirbelwind schneit sie in Julians Leben in ihrem
roten Mantel. Und wenn sie redet, hört sie so bald nicht mehr damit auf. Sie
lädt Julian sogar zu sich nach Hause ein, wo alles so gemütlich, warm und
weihnachtlich geschmückt ist. Aber irgendetwas ist sonderbar an Hedvig und
ihrem Haus, der Villa Mistel. Auch schleicht manchmal ein unheimlich
aussehender Mann durch den Garten, über den Hedvig aber nicht reden mag.
„Sie hätte bestimmt so breit gelächelt, dass man die Zahnlücke zwischen ihren Schneidezähnen sehen konnte, und die Nase mit den vielen Sommersprossen ein wenig gerümpft, und dann hätte sie gesagt … genau, jetzt wusste ich es … Wunderbar, hätte sie gesagt, das ist doch wunderbar, dass so etwas passieren kann, obwohl es ja eigentlich gar nicht geht, denn es gibt mehr zwischen Himmel und Erde, als du und ich erklären können, und das ist doch nun wirklich ein Grund zur Freude, nicht wahr, dass die Welt voller unerklärlicher, fanstatischer Dinge ist, die wir nicht begreifen, das ist es doch, was das Leben lebenswert macht, Julian, findest du nicht, das sind doch die Dinge, die das Leben so spannend machen!“ (S. 145)
Dieses Buch steht in der Tradition norwegischer
Kinderliteratur, die Tabuthemen nicht ausspart. Es geht um den Tod und das
Umgehen damit in der Jahreszeit, in der das am schwersten fällt. Es ist voller
positiver Energie und wärmender Bilder. Allerdings ist es vor allem am Schluss
auch herzzerreißend traurig und berührend. Selten habe ich bei einem Buch so
sehr geweint. Die Geschichte ist in 24 Kapitel unterteilt. Dennoch würde ich
nicht empfehlen, es Kindern als literarischen Adventskalender vorzulesen. Dazu
ist das Thema zu schwer. Liest man es mit Kindern, werden sicher Gespräche über Tod, Einsamkeit und die elementaren Fragen des Lebens folgen. Maja
Lundes Geschichte ist ein Meisterwerk des Erzählens. Die lebendigen Illustrationen
von Lisa Asiato könnten schöner und passender nicht sein.
Ein Meisterwerk in einer
atemberaubend schönen Ausgabe! So schön, so berührend und so traurig wie das
Leben selbst.
Die Schneeschwester, Maja Lunde, aus dem Norwegischen von Paul
Berf, Illustrationen von Lisa Aisato, btb Verlag, Verlagsgruppe Random House, München
2018, 200 Seiten, 15,00 EUR
(Die Verwendung des Coverbildes erfolgt mit freundlicher
Erlaubnis des Verlags.)
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