Doris Dörrie ist als Filmregisseurin und Autorin bekannt.
Sie unterrichtet aber auch Creative Writing an der Filmhochschule München.
Meist geht es beim Schreiben darum Texte zur Veröffentlichung bzw. Verfilmung
zu erstellen. Dieses Buch hat jedoch einen anderen Ansatz. Es ist „Eine
Einladung zum Schreiben“, wie der Untertitel verrät, und zwar an jede und
jeden. Das Schreiben soll so selbstverständlich vonstattengehen wie das Atmen,
eben Teil des Lebens sein. Vor allem aber soll es das Leben bereichern, indem
es die Schreibenden stärker wahrnehmen lässt.
Ist das nun also ein Sachbuch, ein Schreibratgeber? Nicht
nur. Denn Doris Dörrie demonstriert ihre Ideen durch eigenes autobiografisches
Material. Kapitel für Kapitel erzählt sie aus ihrem Leben, teilt
Kindheitserinnerungen, assoziiert zu alltäglichen Begriffen. Das liest sich ein
bisschen wie ihre Lebensgeschichte in Schlaglichtern, nicht chronologisch,
absolut nicht vollständig, sondern eher auf der Basis zufälliger Details. Am
Ende jedes Kapitels finden sich Schreibanregungen, mit denen Texte ähnlich dem
gerade gelesenen Kapitel entstehen könnten.
„Nachts macht sich mein Vater ab und zu eine Büchse Haifischflossensuppe auf. Fahre ich später wegen dieser Suppe auf einem Haifischfangboot bis zu den Galapagos-Inseln? Das Boot ist winzig und das Meer wild. Ich kenne ein solches Meer nicht und habe in jeder Minute Angst. Die gefangenen Haie werden an der Schwanzflosse aufgehängt, damit sie so ersticken. Der Kapitän und sein Helfer braten jeden Tag Fisch und Bananen, etwas anderes gibt es nicht.“ (S. 22/23)
So demonstriert die Autorin, wie sie zwanglos von einer Geschichte
über ihre Eltern zu den Galapagos-Inseln wechseln kann. So funktioniert freie
Assoziation, ein Schreiben ohne innere Zensur. Abschweifen erwünscht. Unter dem
Kapitel findet sich die Erläuterung:
„Blödsinn oder nicht? Marcel Proust hat nicht anders gearbeitet, er nannte es „mémoire involontaire“, unwillkürliche Erinnerung. Alles erinnert. Wohin führt es einen? Wie tief kann man tauchen? Schreiben ist Unterwassertätigkeit. (…) Es geht hier nicht darum Verwertbares zu schreiben, ein Produkt herzustellen, das sich verkauft, oder Literaturpreise zu gewinnen, sondern darum, aufmerksam und vorurteilsfrei dem eigenen Gehirn zuzuschauen und zuzuhören.“ (S. 23/24)
Doris Dörrie gibt viele Anregungen, die als Aufhänger zum
eigenen Schreiben dienen können, angefangen bei der Einkaufsliste bis hin zu
alltäglichen Dingen. Über Brot schreiben zum Beispiel. Oder über den eigenen
Vater, die eigene Mutter. Sie weist auf die Bedeutung von Details hin. Einfach mal
versuchen den Fußboden des eigenen früheren Kinderzimmers zu beschreiben.
Welchen Unterschied macht es, etwas in der ersten oder in der dritten Person zu
schreiben? Diese Einladungen führen einen zurück zu den unterschiedlichsten
Erinnerungen, schönen und weniger schönen. Vor allem aber führt diese Art des
Schreibens zu mir selbst. Und Spaß macht es außerdem. Denn was ich schreibe,
gehört nur mir. Ich muss es niemandem zeigen. Dennoch trainiert es den „Schreibmuskel“,
wie Doris Dörrie sagt, bringt also auch diejenigen weiter, die ihre Texte irgendwann
gern veröffentlichen möchten.
Ein Buch zum stressfreien
Schreiben, nur für mich, nur aus Spaß. Da wird selbst die Einkaufsliste zur
puren Poesie.
Leben Schreiben Atmen, Doris Dörrie, Diogenes Verlag, Zürich
2019, 288 Seiten, 18,00 EUR
(Die Verwendung des Coverbildes erfolgt mit freundlicher
Erlaubnis des Verlags. Ich danke dem Verlag für dieses Buch, das ich in einem Gewinnspiel
als Preis erhalten habe.)
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