Am Donnerstag, den 17. Oktober war der zweite
Fachbesuchertag der Messe. Unter anderem fand eine Preisverleihung statt.
Lieblingsbuch der
unabhängigen Buchhandlungen
Jedes Jahr stimmen die unabhängigen Buchhandlungen darüber
ab, welches ihr Lieblingsbuch des Jahres ist. Unabhängig sind Buchhandlungen,
die nicht zu einer der großen Ketten gehören (z.B. Thalia, Hugendubel,
Osiander, Heymann etc.). Es handelt sich nicht um eine Juryentscheidung wie
etwa beim Deutschen Buchpreis, sondern es sind Buchhändlerinnen und
Buchhändler, die über den Preis abstimmen. Vor der Buchmesse wird eine
Shortlist aus fünf Titeln veröffentlicht. Gewonnen hat dieses Jahr der Titel „Der
Gesang der Flusskrebse“ von Delia Owens (hanserblau Verlag).
Die Preisverleihung wird ausgerichtet vom Team der „Woche
der unabhängigen Buchhandlungen“, die jedes Jahr Anfang November deutschlandweit
stattfindet. Abstimmungsberechtigt sind die Buchhandlungen, die auch an dieser „Woche
der unabhängigen Buchhandlungen“ teilnehmen. Die Veranstaltung sowie die
Preisverleihung dienen dazu, den unabhängigen Buchhandlungen mehr
Aufmerksamkeit zu verschaffen.
Es sind gerade kleine Buchhandlungen, die die „Nahversorgung“
mit Büchern an vielen Ort außerhalb der Ballungszentren sicherstellen. Sie entscheiden
unabhängig über das in ihrem Laden angebotene Sortiment, sichern also Vielfalt
im Buchhandel. Dabei haben sie es in der Regel schwerer, das Geschäft
wirtschaftlich zu betreiben, da die Verlage den großen Ketten höhere Rabatte
beim Bucheinkauf einräumen (wegen der größeren Ankaufsmenge) und das
finanzielle Risiko oft auf einem Inhaber allein lastet. Selten liegen diese
Geschäfte in Spitzenlagen, da die Miete zu teuer wäre. Oft gehören diese Indie-Buchläden
echten IdealistInnen, so dass ich sie gern unterstütze.
Die Woche der unabhängigen Buchhandlungen wird vom 2. bis 9. November 2019 stattfinden.
Gastland Norwegen
Am zweiten Tag hatte ich Gelegenheit, mir den Pavillon des diesjährigen
Ehrengastes Norwegen anzusehen. Jedes Jahr darf ein anderes Land seine
Literatur auf der Buchmesse vorstellen und dazu den großen Raum im 1. Stock der
Halle 1 frei gestalten. Die Norweger zeigten einen klaren skandinavischen Stil –
was auch sonst. Die beiden Schmalwände waren so geschickt mit Spiegeln
verkleidet, dass der Raum unendlich groß wirkte und man aufpassen musste, nicht
gegen die Spiegel zu prallen. Im Raum verteilt gab es künstlerisch gestaltete
Tische, jeder hatte eine andere Form und verschieden geformte Aufbauten, auf
denen thematisch geordnet Bücher ausgestellt waren, die jeder anfassen und die
man hineinlesen durfte. Im Vorfeld der Messe werden in der Regel besonders viele
Bücher aus dem Gastland ins Deutsche übersetzt.
Originell war ein Tisch mit lauter silbernen Döschen darauf.
Was wie Gewürzbehälter aussah, war eine Sammlung von sehr ausgefallenen und
eigenwilligen Düften / Gerüchen. Man sollte erraten, wonach sie riechen und
konnte dies anhand von nummerierten Kärtchen sodann überprüfen. Aber ach,
Vorsicht war geboten!! Die erste Dose, die ich erwischte, roch nach „toter Oma“
– kein Scherz! Nach diesem derart ekelhaften Dufterlebnis, ließ ich lieber die
Finger vom Rest.
Viele norwegische Autoren, die alle hervorragend Englisch
sprachen, waren auf der Messe zu Gast. Es gab auf zwei integrierten Bühnen Lesungen,
Interviews und Diskussionen. Aufmerksamkeit erregten neben den bekannten
norwegischen Krimis vor allem die Kinderbücher aus dem Gastland. Diese sind
dafür bekannt, sich auch mit Tabuthemen zu beschäftigen, etwa Tod, Sex, Probleme
muslimischer Jugendlicher in Norwegen etc.
Stargäste waren u.a. Karl Ove Knausgård
und Maja Lunde („Die Geschichte der Bienen“). Letztere präsentierte ihren gerade
erschienenen dritten Roman des Umweltquartetts, „Die letzten ihrer Art“. (Steht
schon in meinem Regal und wird bald gelesen werden.) Wusstet Ihr, dass Maja
Lunde auch Kinderbücher geschrieben hat?
„Die Schneeschwester“ (eine Weihnachtsgeschichte in 24 Kapiteln) ist ein
reich bebildertes Buch, das ich leider noch nicht gelesen habe, das aber beim
Durchblättern einen sehr guten Eindruck machte.
Diogenes Talk
Thomas Meyer und Simone Lappert |
Ein Highlight war eine Veranstaltung des Diogenes Verlags,
Zürich. Die Programmleiterin Ursula Bergenthal stellte vier AutorInnen und ihre
neuen Bücher vor.
Thomas Meyer berichtete von seinem Buch „Wolkenbruchs waghalsiges
Stelldichein mit der Spionin“, dem zweiten Band über den jüdischen Protagonisten
Motti Wolkenbruch. Der Autor stellte sich die Frage, was wäre, wenn es die „jüdische
Weltverschwörung“ tatsächlich gäbe. Motti muss mal eben die Welt retten, ist ja
klar. Die Geschichte klingt so abstrus, dass es sehr komisch zu werden
verspricht. Warum er diesen zweiten Band geschrieben hat, obwohl er beim
Schreiben des ersten Buches doch gar keine Fortsetzung im Sinn gehabt hatte,
erklärt Thomas Meyer so:
„Mit dem Schreiben ist es wie mit dem Verlieben, man weiß
nicht, warum. Warum dieser „Wolkenbruch“ geschrieben werden wollte oder musste,
das weiß nur er.“
Simone Lappert gab eine beeindruckende Vorstellung ihres
Romans „Der Sprung“, indem sie den Prolog des Buches (mehrere Seiten) auswendig
und emotionsstark deklamierte! Bereits auf der ersten Seite dieses Romans
erfährt der Leser, dass eine junge Frau gerade vom Dach eines Hauses springt. Was
davor und während ihres längeren Aufenthalts auf dem Dach geschieht, welche
Menschen das Ereignis tangiert und welche unterschiedlichen Empfindungen diese
haben, wird im Buch geschildert. Der Roman ist für den Schweizer Buchpreis
nominiert.
Doris Dörrie stellte ihr Buch „Leben, Schreiben, Atmen“ vor
und berichtete stolz von ihrem Schreibworkshop im Frankfurter Schauspielhaus am
Abend zuvor. 500 schreibende Menschen, auf der Bühne und im Publikum, hätten
sie sehr berührt.
Zu guter Letzt beeindruckte der ukrainische Schriftsteller Andrej
Kurkow bei der Lesung aus seinem Roman „Graue Bienen“ mit seinen hervorragenden
Deutschkenntnissen. Der Roman beschäftigt sich anhand der Figur eines
Bienenzüchters mit der Situation von Zivilisten im ukrainischen Kriegsgebiet Donbass. Spannendes Thema.
Abgerundet wurde der Abend durch einen Champagnerempfang am
Diogenes-Stand.
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