Barbados, 1830, ist eine britische Kolonie. Auf einer
Zuckerrohrplantage wird die Arbeit unter brutalsten Bedingungen von schwarzen
Sklaven getan. Einer von ihnen ist der etwa elfjährige Erzähler der Geschichte,
der vom Plantagenbesitzer den Namen George Washington Black erhalten hat. Wash
weiß nicht genau wie alt er ist, wo er geboren wurde und wer seine Eltern sind.
Seit er sich erinnern kann, hat er schwerste Feldarbeit geleistet und auf dem
Boden in einer der Hütten geschlafen, so wie alle. Die Sklaven werden von den
weißen Aufsehern so schlecht behandelt und willkürlich umgebracht, dass
Selbstmorde an der Tagesordnung sind.
Eines Tages taucht der Bruder des Plantagenbesitzers auf,
genannt Titch. Er macht wissenschaftliche Experimente und will einen Flugapparat
bauen, mit dem man sogar den Atlantik überqueren kann. Titch bittet seinen
Bruder um Zuteilung einiger Sklaven, die ihm beim Bau dieses Luftschiffs helfen
sollen. Darunter ist auch Wash, den Titch aufgrund seines Gewichts und seiner
Größe aussucht, als Ballast für den „Cloud-Cutter“. Wash wird Titchs Assistent.
Er ist zunächst erschreckt von dessen Freundlichkeit ihm gegenüber. So etwas
kennt er nicht, es macht ihn misstrauisch. Ein furchtbarer Unfall geschieht.
Und ein Selbstmord. Titch setzt mit Wash und dem Cloud-Cutter zum großen Flug
an.
All das ist nur der Anfang dieser sehr komplexen Geschichte,
die ständig neue, überraschende Wendungen nimmt. Von Barbados aus gelangt
Washington nach Nordamerika, in die Arktis, nach England und diverse andere
Orte. Er ist ein Kind ohne Wurzeln, der das Leben nehmen muss, wie es gerade
kommt. Er hat sich anzupassen an immer neue, unbekannte Welten und Menschen,
muss dankbar sein, dass er überlebt. Er nutzt seine Talente und wachen Sinne,
die er trotz fehlender Bildung hat. Vor allem kann er zeichnen, die Natur
lebensnah abbilden. Als er ein junger Mann geworden ist, treibt ihn die Frage
nach seiner Herkunft um. Er hat Fragen darüber, wieso bestimmte Dinge so
gekommen sind und geht ihnen nach. Denn ohne Antworten kann er keine Wurzeln
schlagen, sich nirgendwo zuhause fühlen.
„Do it frighten you? she whispered, where we lay in the hut, “To be dying?”“Not if it don’t frighten you,” I said bravely. I could feel her arm draped protectively over me in the dark.She grunted, a long rumble in her chest. “If you dead, you wake up again in your homeland. You wake up free.” (…)“What it like, Kit? Free?“ (…)„Oh, child, it like nothing in this world. When you free, you can do anything.““You go wherever it is you wanting?”“You go wherever it is you wanting. You wake up any time you wanting. When you free,” she whispered, “someone ask you a question, you ain’t got to answer. You ain’t got to finish no job you don’t want to finish. You just leave it.” (S. 8/9)
Der Roman erzählt die Geschichte der Sklaverei auf sehr
unmittelbare Weise. An Washs Schicksal wird erkennbar, welche schrecklichen
Wirkungen die Sklaverei auf den einzelnen Menschen hat, und zwar auch dann
noch, als Wash schon nicht mehr unter der Herrschaft des grausamen
Plantagenbesitzers lebt. Er bewegt sich in einer Welt von Weißen, die ihn nie
als ein gleichwertiges Gegenüber sehen, selbst wenn sie freundlich zu ihm sind,
was selten genug vorkommt. Die Erzählweise ist sehr sinnlich. Wash beschreibt,
was er unter seinen nackten Füßen spürt und vor allem die Gerüche der seltsamen
Orte, an die es ihn verschlägt. Seine Erinnerungen bestehen aus lebendigen
Bildern, die ihm immer wieder vor Augen stehen, manchmal qualvoll deutlich. Es
ist eine Geschichte über Herkunft und Identität. Wash glaubt, dass diese Fragen
für die Weißen mit ihren Herrenhäusern und Familien in der alten Heimat England
so viel leichter zu beantworten sein müssten. Ob das wirklich so ist, erforscht
er nach und nach.
Das wunderschön gestaltete Buchcover mit dem Cloud-Cutter inmitten goldener Wolken gibt einen Eindruck davon,
dass die Weißen sich manchmal Luftschlösser bauen und nicht ganz auf dem Boden
der Realität wandeln, wie Washington sie erlebt.
Ein faszinierender
Roman, der einen mitnimmt. In wenigen Jahren scheint Washington gleich mehrere
Leben durchzumachen.
Washington Black, Esi Edugyan, englischsprachige Ausgabe, Serpent’s
Tail Verlag, London 2018, 419 Seiten
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