„Bei dieser Geschichte machen Sie kein Auge zu.“, verspricht
der schneeweiße Umschlag. Ein weiterer Band aus der „Diogenes under cover“-
Serie. Dahinter verbirgt sich ein japanischer Thriller, der in der Tokioter
Unterwelt spielt. Eigentlich ist der Erzähler ein einfacher Taschendieb. Von
Kindheit an hat er seine Greiftechnik perfektioniert. Er genießt das Prickeln
und Kribbeln, das Stehlen gibt ihm jedes Mal einen Kick. Und er ist gut. Geld
spielt für ihn keine Rolle. Er kann davon besorgen so viel er will.
Leider war er in der Vergangenheit in eine Sache verwickelt
mit Leuten, denen er jetzt ungewollt wieder begegnet. Und lieber niemals
begegnet wäre. Es geht um die Macht der Mafiosi. Wenn sie jemanden sterben lassen
wollen, dann tun sie es. Die Macht über ein Menschenleben nach Laune
entscheiden zu können, scheint manchen Menschen den gleichen Kick zu geben wie
dem Erzähler ein Taschendiebstahl. Es ist ein einsames Leben. Denn wer Familie
hat oder auch nur Menschen, die ihm nicht total gleichgültig sind, wird
erpressbar. Und dummerweise taucht die Vergangenheit gleichzeitig aus der Versenkung
auf wie ein kleiner, verwahrloster Junge, der von seiner Mutter zum Stehlen von
Lebensmitteln in den Supermarkt geschickt wird.
„Ich sagte zu ihm: „Du bist ziemlich geschickt, aber… man macht das so, schau mal!“Von der Liste war nur noch Joghurt übrig geblieben. Vor dem Kühlregal mit den aufgestapelten Bechern streckte ich meine Hand aus, als überlegte ich mir, welche Sorte es sein sollte. Ich blinzelte nach links und rechts, legte den Mittelfinger an den Rand des Deckels und krümmte ihn blitzartig, so dass der Joghurt nach vorne kippte, direkt in meinen Ärmel. (…) Der Junge verfolgte mit ernster Miene jede meiner Bewegungen und schaute mich dann lange an, als ob ein Wunder geschehen wäre. Er schien auch sehr beeindruckt, als ich den Arm senkte und die Joghurts nicht herausfielen.“ (S. 87)
Nach und nach erfährt der Leser, an was für einer Tat der
Erzähler in der Vergangenheit beteiligt gewesen ist und was mit seinem
ehemaligen Lehrmeister geschehen ist. Zum Schluss werden auch die Motive
derjenigen klar, die ihn zwingen, für sie zu arbeiten. Mich hat diese
Ganovengeschichte nicht wirklich fesseln können, allerdings bin ich auch kein
Thriller-Fan. Die Skrupellosigkeit der Mafiosi ist vorhersehbar. Interessant
sind die Beschreibungen der Emotionen des Erzählers. Was ihn antreibt, was er
verabscheut und vor allem sein Interesse an dem kleinen, fremden Jungen. Die
Einsamkeit und Kraft des verwahrlosten Kindes sind beeindruckend, abstoßend
dagegen die Kälte seiner Mutter, die sich als Prostituierte durchschlägt. Gut
fand ich, dass zwar Morde geschehen, aber der Roman keine blutrünstigen
Gewaltszenen schildert.
Nicht schlecht, aber
ich werde dennoch nachts gut schlafen, da ich das Buch nur mäßig spannend fand.
Der Dieb, Fuminori Nakamura, aus dem Japanischen von Thomas
Eggenberg, Diogenes Verlag, Zürich 2017, 224 Seiten, 12,00 EUR
(Die Verwendung des Coverbildes erfolgt mit freundlicher
Erlaubnis des Verlags.)
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