Wer ist eigentlich der alte weiße Mann? Der an allem schuld
ist? Wegen dem die Welt nicht vorwärts geht, Frauen keine Chefsessel besetzen
und weniger verdienen als Männer? Gibt es den überhaupt? Sophie Passmann hat
sich einen Sommer lang auf die Suche gemacht nach diesem „Feindbild“. Sie hat
16 erfolgreiche Männer besucht und ihnen auf den Zahn gefühlt mit der
provozierenden Frage, ob sie sich denn dazu zählen, zu diesen alten weißen
Männern. So richtig zugeben mochte das niemand. Aber unter den sechzehn ist
schon der eine oder andere…
Sophie Passmann hat sich umgehört bei Medienschaffenden wie
Kai Diekmann (Ex-Bild-Chefredakteur) und Ulf Poschardt (Chefredakteur der Welt),
bei Politikern wie Robert Habeck (Bundesvorsitzender der Grünen) und Juso-Chef
Kevin Kühnert, bei IT-Spezialist Sascha Lobo und Alt-68er Rainer Langhans,
sogar vor ihrem Vater machte die 25jährige Feministin nicht Halt („Wer mich zur
Tochter hat, braucht auch keine Feinde mehr.“, S. 152). Und wozu das? Der
Untertitel des Buches heißt „Ein Schlichtungsversuch“. Auch wenn es mancher
nicht glauben mag, aber der Feminismus ist ja kein Selbstzweck. Sophie Passmann
versucht herauszufinden, wie man den Geschlechterkampf beenden könnte. Und
miteinander ins Gespräch zu kommen, hilft immer, findet sie. Sie ist losgezogen
um zuzuhören. Und um herauszufinden, wie man den alten weißen Mann (wenn es ihn
denn gibt) überzeugen könnte und zum Wandel motivieren. Die Idee ist schon im
Ansatz lobenswert, denn Passmann schont dabei weder die Männer, noch sich
selbst.
Sophie Passmann hat Interviews mit einflussreichen
Männern verschiedener Branchen und Altersgruppen geführt. Mit ihrer frechen,
scharfen Zunge hat sie Fragen gestellt, den Interviewten aber nicht zu viel
Feedback zugemutet (der Mann an sich ist ja sensibel), sondern sich dieses für
das Niederschreiben der Interviews aufgehoben. So darf die Leserin teilhaben an
Passmanns Gedanken, ihren Beobachtungen des Umfelds (des Büros, der Wohnung
oder des Lieblingscafes der Interviewten). Und diese sind zum Schreien komisch.
Manche Antworten der Herren strahlen schon für sich eine gewisse Komik, wenn
nicht gar Tragik aus – wenn auch zuweilen unbeabsichtigt. So etwa wenn Rainer
Langhans den Opfern der MeToo-Debatte vorschlägt sich zu fragen, „Wieso kann
der mich eigentlich immer zum Opfer machen?“ und meint, das Opfer müsse lernen „für
das Verantwortung zu übernehmen, was es mit seinem Verhalten die ganze Zeit
über hervorgebracht hat“. (S. 278)
Das Schönste an diesem Buch ist aber, dass Sophie Passmann
auch sich selbst stets kritisch hinterfragt und über sich selbst lachen kann. Etwa
wenn das Gespräch in eine ihr nicht ganz genehme Richtung läuft und Männer von
ihrer Benachteiligung in der Erziehungsarbeit sprechen, oder ihr eigene Klischees
und blinde Flecken auffallen. Sie bleibt fröhlich, auch wenn sie sich einiges
anhören muss. Da werden ihr Begriffe wie „Opfer-Feminismus“ angeboten, die
Frauenquote finden fast alle doof und schon das Wort „Feminismus“ scheint
vielen Übelkeit zu erzeugen. Da schon das Wort so unsexy ist, schlägt Kai
Diekmann ein „Rebranding“ vor. Micky Beisenherz erklärt, dass der „Feminismus für
die Gesellschaft das (ist), was das Rauchverbot für Kneipen war“ (S. 114). Man
muss sich eben erst daran gewöhnen. Wir lernen im Gespräch mit Sascha Lobo,
dass die „Werkeinstellung“ im Leben für einen weißen Mann die beste ist. Er
dringt schnell zum Kern der Sache vor, indem er reflektiert:
„Wenn man solch einen Startvorteil hat, ist es ganz schwer zu abstrahieren, dass deine Leistung nicht nur deine Leistung ist, sondern auch deinem Status geschuldet ist, den du nicht selbst verschuldet hast.“ (S. 23)
Kevin Kühnert fragt sich zur paritätischen Besetzung von
Parteigremien kritisch:
„Habe ich das jetzt eigentlich nur wegen der Quote gemacht oder hätte ich das ohne eine Quote aus meinem Menschenbild heraus gemacht? Und ich möchte gerne, dass ich es aus meinem Menschenbild heraus gemacht hätte, aber ich kann es dir nicht beantworten, weil ich immer nur Politik in einer Partei gemacht habe, die mit Quoten arbeitet.“ (S. 261)
Es sind gewichtige gesellschaftliche Fragen, die in Sophie
Passmanns Buch klug beleuchtet werden. Dennoch liest sich der Text locker-flockig
und unheimlich witzig durch den wunderbaren Humor der Autorin und manches
Interviewten.
So macht Feminismus
Spaß! Lesen, lachen und mehr davon!
Alte weiße Männer, Sophie Passmann, Kiepenheuer & Witsch
Verlag Köln 2019, 304 Seiten, 12,00 EUR
(Die Verwendung des Coverbildes erfolgt mit freundlicher
Erlaubnis des Verlags. Ich danke dem Verlag für das kostenlos zur Verfügung
gestellte Rezensionsexemplar.)
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