Die Erzählperspektive wechselt. Zunächst geht es um die
junge, schüchterne Collegestudentin Greer, die Faith Frank auf dem Campus bei
einem Vortrag kennenlernt. Sie fühlt sich von Faith ernst genommen und ermutigt
und ergattert schließlich einen Job bei ihr in New York. Greer möchte etwas
Sinnvolles leisten und ihre eigene Stimme finden.
Seit der High School ist Greer mit ihrem Freund Cory
zusammen und stellt sich eine gemeinsame Zukunft mit diesem vor. Aber während
Corys vielversprechendem Karrierebeginn verändert ein tragisches
Familienereignis sein Leben nachhaltig. Er muss seine Pläne ändern.
Auf dem College freundet Greer sich mit Zee an, einer selbstbewussten,
lesbischen jungen Frau, die seit Jahren Aktivistin in der Frauen- und
Menschenrechtsbewegung ist. Auch Zee möchte sich für sinnvolle Ziele einsetzen
und sich Gehör verschaffen, tut dies jedoch auf andere Weise als Greer.
Mit über 60 Jahren leitet Faith Frank eine Stiftung für
Frauen, welche Vorträge organisiert und Hilfsprojekte für Frauen sponsert.
Geldgeber der Stiftung ist der betuchte Emmett Shrader, den Faith seit Jahrzehnten
kennt. Seine wirtschaftlichen Aktivitäten sind teilweise als zwielichtig
verrufen, und dennoch finanziert seine Firma die Frauenstiftung großzügig.
In diesem Geflecht von Personen und Institutionen werden
diverse Themen aufgeworfen, etwa wie mit Frauenfeindlichkeit und Übergriffen im
System der amerikanischen Universitäten umgegangen wird. Was bedeutet es im
heutigen Amerika, eine junge Frau aus der Provinz zu sein und keine Ivy League
Universität besuchen zu können. Wer ermutigt solch eine Frau, sich in die Welt
hinaus zu trauen? Wie geht ein junges Paar, das sich seit der High School kennt,
mit der Zukunftsperspektive von Zusammenleben und Familiengründung um. Werden
sie traditionelle Rollenzuweisungen brechen oder doch leben wie ihre Eltern es
vorgemacht haben? Um Rollenzuschreibungen geht es auch für Zee, die ihr
Frausein selbst definieren will, als sie sich der lesbischen Szene zuwendet. Sind
Idealismus und Energie genug, um die Welt voran zu bringen und anderen zu
helfen, oder wessen bedarf es dazu noch? Wo findet moderne Frauenbewegung im
21. Jahrhundert eigentlich statt? Sind es Demonstrationsmärsche auf der Straße,
feministische Zeitschriften oder doch Internetforen und medienwirksam
präsentierte Tagungen einer reichen Stiftung? Schließen sich Kapital und
Frauenbewegung aus? Ist es schädlich, wenn neben der Diskussion politischer
Themen auch eine Maniküre angeboten wird?
Die einzelnen Handlungsstränge sind dadurch verschachtelt,
dass sie zunächst aus der Sicht einer Person dargestellt werden und erst viel
später aus der Sicht einer anderen Person, so dass das Bild vervollständigt
wird. Meg Wolitzer erzählt Situationen sehr detailreich, wodurch aus meiner
Sicht erhebliche Längen entstehen. Insbesondere auf den ersten 150 Seiten, in
denen aus der Sicht der naiven, unerfahrenen Greer erzählt wird, habe ich mich gelangweilt.
Aus diesem Teil hätten mir auch zwei Schlüsselszenen gereicht. Durch das Wiederaufgreifen
desselben Geschehens aus Sicht einer anderen Person entstehen weitere Längen.
Es hätte dem Buch gut getan, wenn es um die Hälfte gestrafft worden wäre.
Insbesondere im ersten Drittel wird der Feminismus in recht oberflächlicher Weise
angesprochen und die ganz alten Hüte werden ausgepackt, die im 21. Jahrhundert
getrost zu den Binsenweisheiten gezählt werden können.
„Kim was telling her how women in a corporate environment were not always good to one another. (…) ‘We have this woman upstairs (…) I was in the elevator with her and she just stood there staring at the door, not saying a word, not even hi, and I wanted to say to her, I know I’m just an assistant, but don’t you know that we’re supposed to be decent to each other? I totally get that you feel threatened, because you’ve been made to feel that way. The ranks of women are kept really, really thin, so everyone feels that they’re the only one allowed in, and they can’t afford to be nice to other women.’” (S. 154/155)
“’I think the ideas about what men and women are, what they essentially are, go very deep,’ she said. ‘That women are subordinate. That women will always be thwarted. These are the ideas that have taken hold everywhere. Sure there’s an economic piece, and that’s always been true. But there’s a psychological piece too, and we can’t forget it.’” (S. 167)
Später wird die Handlung etwas weniger vorhersehbar und es werden
Fragen aufgeworfen, die sich in der Weise in den 60er Jahren nicht gestellt
haben, als der Organisationsgrad der Frauenbewegung, die Kommunikations- und
Vernetzungsmöglichkeiten ganz andere waren. Ohne Happy End auf ganzer Linie kommt
die Autorin leider nicht aus, was mir etwas zu rosarot war. Meg Wolitzer
spricht einige wichtige Fragen an, jedoch bringt sie die Handlung und Entwicklung
der Personen für meinen Geschmack viel zu langsam voran, so dass man für über 450
sehr großformatige Seiten schon erhebliches Durchhaltevermögen braucht.
Ein frauenpolitischer
Roman mit vielen Facetten, jedoch leider auch extremen Längen.
The Female
Persuasion, Meg Wolitzer, Chatto & Windus Verlag (Penguin Random House
Group) London 2018, 456 Seiten, englischsprachige Ausgabe
Zusatz-Info: Das Buch ist in deutscher Übersetzung unter dem
Titel „Das weibliche Prinzip“ im DuMont Buchverlag 2018 für 24,00 EUR
erschienen.
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