Sonntag war Familientag bei der Buchmesse. Kinder unter 12 Jahren hatten freien Eintritt, was auch rege genutzt wurde. Allerdings war der Besucherzenit bereits überschritten. So voll wie am Samstag wurde es (zum Glück) nicht noch einmal.
Für mich stand der Sonntag ganz im Zeichen der "Blogger Sessions", dem Programm für Blogger, Bookstagrammer und BookTuber, die sich mit Buchthemen im Online-Bereich und in sozialen Netzwerken beschäftigen.
Buchauswahl im Titel-Dschungel
Insgesamt wurde die Bedeutung von Bloggern und Co. für die Buchbranche als groß eingeschätzt. Bücher und Buchthemen kommen in den klassischen Medien wie Fernsehen und Tageszeitungen eher weniger zur Sprache, insbesondere angesichts der Vielfalt des Marktes.
In Deutschland erscheinen jährlich ca. 70.000 bis 90.000 neue Bücher - wie sich auf der Messe eindrucksvoll an den Verlagsständen erleben ließ. Aber wie trifft man eine Auswahl unter so vielen Titeln und lenkt die Aufmerksamkeit auf bestimmte Bücher? Dies tun neben den klassischen Feuilletons der Zeitungen eben Blogger. Offenbar ist beim Blog nicht in erster Linie dessen Reichweite entscheidend, die sich auch künstlich aufblähen lässt, sondern vor allem die Glaubwürdigkeit des einzelnen Bloggers innerhalb seiner Zielgruppe.
Vorträge (zumeist von erfahrenen Bloggern gehalten) und Diskussionen beschäftigten sich mit Fragen der Monetarisierung des Blogs, also der Möglichkeit mit Blogs Geld zu verdienen oder Ideen, wie man einen Blog über das Veröffentlichen von Rezensionen hinaus interessanter gestalten kann.
Rechtsfragen im Internet
Mit die größte Aufmerksamkeit erzielte der Vortrag eines Fachanwalts für Urheber- und Medienrecht zu aktuellen Rechtsfragen eines Internetauftritts. Viele Blogger kämpfen mit wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen. Neue Rechtsprechung hat Verwirrung darüber geschaffen, wann ein Post als Werbung oder Anzeige zu kennzeichnen ist. Rechtssicherheit gibt es in diesem Bereich derzeit nicht. Unklar ist, ob Posts auch dann als Werbung zu kennzeichnen sind, wenn sie ohne Gegenleistung ins Netz gestellt werden, wann aus den Umständen auch ohne Kennzeichnung für jeden offensichtlich ist, dass es sich um einen kommerziellen, also werbenden Auftritt handelt und wie genau eine erforderliche Kennzeichnung zu erfolgen hat.
Durch die im letzten Jahr in Kraft getretene Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) wird das Leben von Bloggern deutlich komplizierter. Es wurden Tipps gegeben zu Datenschutzerklärungen und Nachrichtenverschlüsselung. Beklagt wurde, dass sich offenbar im letzten Jahr bereits viele Blogger aus dem Netz zurückgezogen haben, weil sie sich mit den Datenschutzanforderungen überfordert fühlten.
Sensitivity Reading
Vorgestellt wurde eine besondere Form des Lektorats, das Sensitivity Reading. Es handelt sich um ein besonderes Durchsehen eines Manuskripts (z.B. eines Romans) im Hinblick auf Stereotype und diskriminierende Darstellungen von Personengruppen, z.B. bestimmter Ethnien, religiöser Zugehörigkeit oder sexueller Orientierung. Ziel ist es mehr Diversität (oder Political Correctness) in der Literatur zu schaffen und Verletzungen zu vermeiden, indem eine Person, die einer bestimmten marginalisierten Gruppe angehört, bei der Überarbeitung eines Textes hilft. Beispielhaft wurde der viel kritisierte Roman "Stella" von Takis Würger genannt, der von einer deutschen Jüdin in der NS-Zeit handelt, die (unter Druck) andere Juden bei den Nazis denunziert hat. Der Autor ist ein nichtjüdischer Deutscher. Es wurde die These vertreten, dass dieser besser nicht über das Thema hätte schreiben sollen. Kritisch diskutiert wurde die Grenze zur (Selbst-)Zensur der Autoren, wenn Sensitivity Reader diesen empfehlen, ein ganzes Thema fallen zu lassen.
Gastland Tschechien
Bei Ende der Messe stelle ich fest, dass ich keine Zeit dazu hatte, mich mit dem Gastland der Buchmesse - Tschechien - zu beschäftigen. Anlass der Auswahl dieses Landes war das 30jährige Jubiläum der "samtenen Revolution" in Osteuropa, die zum Fall des Eisernen Vorhangs geführt hat. Zur Buchmesse sind besonders viele tschechische Titel ins Deutsche übersetzt worden. Das wäre sicher spannend gewesen, aber auch in vier Tagen kann frau nicht alles sehen.
Nach der Messe ist vor der Messe. Der Besuch hat sich auf jeden Fall gelohnt.
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