Müde, aber glücklich blicke ich auf den ersten Messetag
zurück. Bei strahlendem Sonnenschein und Frühlingswetter war es nicht so
schlimm, dass sich bei Messebeginn an allen Eingängen enorme Warteschlangen
bildeten. Im Gegensatz zur Frankfurter Buchmesse ist die Leipziger viel kleiner
(es werden dennoch über eine halbe Million Besucher erwartet) und auch eher
eine Publikumsmesse. Dies ist leicht bemerkbar an den Massen von Schulklassen
und dem umfangreichen Begleitprogramm in der ganzen Stadt.
Überall – in Möbelgeschäften,
Kneipen, Theatern und natürlich Buchhandlungen - finden Lesungen statt unter
dem Motto „Leipzig liest“. Lesebegeisterung zu wecken, vor allem bei Kindern, ist
das erklärte Ziel, das mit viel Liebe verfolgt wird. Aber auch in den Messehallen
scheint mir das Angebot an Lesungen größer zu sein als in Frankfurt. Frau weiß
gar nicht, wo sie zuerst zuhören soll. Gehört habe ich z.B. Jan Drees, dessen
Buch ich kürzlich besprochen habe, sowie Katja Frixe, eine großartige
Kinderbuchautorin, deren Reihe „Der zauberhafte Wunschbuchladen“ ich sehr
liebe.
Käuferschwundstudie
Dass Leseförderung dringend Not tut, hat auch der
Börsenverein des Deutschen Buchhandels bemerkt, insbesondere nachdem im letzten
Jahr die von ihm durchgeführte Studie zum Käuferverhalten veröffentlicht worden
ist. Ergebnis war, dass der Buchhandel in den vergangenen fünf Jahren ca. 6
Millionen Buchkäufer verloren hat, insbesondere in der Gruppe der 20- bis
49-jährigen. In einer hochkarätig besetzten Runde wurde nun die Situation ein
Jahr danach diskutiert.
Erfreulich ist, dass der seit Jahren anhaltende Abwärtstrend
gestoppt werden konnte und es im letzten Jahr sogar einen Zuwachs von ca. 300.000
Käufern zu verzeichnen gab. Insgesamt war sich die Runde aus Börsenverein,
Marketing und Verlegern einig, dass es mehr Transparenz und Zugehen auf die Leser
bedarf. Es wurde darauf hingewiesen, dass es Märkte gibt, die der deutsche
Buchhandel in keiner Weise bedient, etwa dass Menschen mit
Migrationshintergrund oft keine Möglichkeit haben, Bücher in ihren
Heimatsprachen über den deutschen Handel zu erwerben, nicht einmal im besonders
starken Segment der Kinder- und Jugendbücher. Eine Anfrage beim größten
türkischen Kinder- und Jugendbuchverlag habe ergeben, dass dieser keinerlei
Export seiner Bücher nach Deutschland betreibe, da es bislang nicht einmal
einen Großhändler gebe, der den Transfer übernimmt. Ähnlich schwer sei es, Bücher
in arabischer oder polnischer Sprache in Deutschland zu erwerben.
Ein neu gegründeter deutscher Manga-Verlag geht neue Wege in
Sachen Transparenz und zeigte auf YouTube, wie der Verlag entstand, die ersten
Titel in der Druckerei hergestellt wurden etc., mit dem Ergebnis, dass
Kaufanfragen (auch von einem großen Filialisten) kamen, noch bevor das
Verlagsprogramm stand. Dieser Verlag berichtet über große Nachfrage gerade aus
dem Käufersegment der ab 20jährigen, und zwar keinesfalls im eBook- sondern im
Printbereich der Bücher.
Ferner wurde bemängelt, dass es im Buchhandel kaum Angebote
im Preissegment unter 5 EUR gebe. Netflix und Co. würden das Entertainment in
diesem Preisbereich allein besetzen. Gerade das Online-Freizeitangebot
konkurriert aber mit dem Buch um die begrenzte Freizeit der Leute, so die
Studie.
Ideen, die zur Trendwende am Buchmarkt beitragen könnten,
gibt es also genug.
Künstliche Intelligenz
Im Fachprogramm vertreten waren IT-Experten, welche der Medien-
und Literaturbranche den Einsatz künstlicher Intelligenz schmackhaft machen
möchten. Und zwar – ernsthaft – unter dem Motto: Sammeln Sie alle Daten, auch
wenn Sie (noch) nicht wissen, wozu Sie diese gebrauchen können (etwa mit
welchem Browser Kunden auf die Website zugreifen o.ä.). Und das in Zeiten der
Datenschutzverordnung…
Es ist erstaunlich, was im Bereich des Online-Handels
bereits möglich ist, etwa durch das Zeigen personalisierter Cover, je nachdem,
wer nach einem Artikel sucht. Es wird also von Algorithmen nicht nur die Ware
selbst ausgesucht, die dem Kunden vorgeschlagen wird, sondern sogar derselbe
Artikel in unterschiedlicher Aufmachung gezeigt, um den Käufer zu gewinnen.
Dieser Vortrag war kaum literaturspezifisch, dafür aber umso
gespenstischer in der Auswirkung. Da wird einem wieder bewusst, welche enormen
Datenspuren man im Internet hinterlässt und wie diese von Händlern (meist vom
Kunden unbemerkt) genutzt werden.
Literatur
Ansonsten sind natürlich die großen Publikumsverlage, die
kleinen unabhängigen Verlage und natürlich die Selfpublisher mit Ständen
vertreten. Da kann frau mal in Ruhe schmökern und sich aussuchen, was als nächstes
gelesen werden könnte. Die Zukunft dieses Blogs ist also gesichert. ;-)
Deutsche Nationalbibliothek
Ein besonderes Highlight heute war eine Führung durch die
Deutsche Nationalbibliothek Leipzig. Engagiert und kurzweilig berichtete unsere
Führerin über die Geschichte und Arbeit der 1912 gegründeten Bibliothek. Diese
ist so interessant, dass ich ihr einen eigenen Post widmen möchte, den ich erst
nach der Buchmesse werde schreiben können. Ich freue mich vor allem über die
Veröffentlichungserlaubnis für meine zahlreichen Fotos. Die alten und neuen
Gebäude sind wunderschön!
Das Abendprogramm von „Leipzig liest“ muss ohne mich
stattfinden. Morgen früh um 10 h startet Tag 2 der Messe. Dafür muss die
Buch-Lady ausgeschlafen sein.
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