Samstag, 30. März 2019

Deutsche Nationalbibliothek Leipzig

Anlässlich der Leipziger Buchmesse hatte ich die Gelegenheit zu einem Besuch in der Leipziger Nationalbibliothek mit Führung. Die Bibliothek besteht aus einem alten und mehreren neueren Gebäuden, da ihr Umfang täglich wächst. Sie ist wirklich wunderschön und lohnt auf jeden Fall einen Besuch!

Aufgaben und Entstehung


Die Deutsche Nationalbibliothek als Institution besteht heute aus zwei Standorten, dem in Leipzig und einem weiteren in Frankfurt am Main. (Die Frankfurter Buchmesse kommt bestimmt, so dass ich auch die zweite Bibliothek besuchen kann.) Sie beschäftigt heute ca. 650 MitarbeiterInnen an beiden Standorten zusammen. Gegründet wurde die Nationalbibliothek als „Deutsche Bücherei“ 1912 in Leipzig. Warum eigentlich dort und nicht in Berlin? Leipzig war damals schon eine bedeutende Buchstadt, in der fast 1.000 Buchhändler und Verlage angesiedelt waren, nebst vielen Druckereien, Buchbindern etc.

Aufgabe der Deutschen Nationalbibliothek ist das Sammeln und Bewahren deutschsprachiger Literatur ab dem 01.01.1913, also der in Deutschland, Österreich und der Schweiz erscheinenden Druckerzeugnisse (Bücher, Tageszeitungen, Zeitschriften, eBooks u.v.m.). Gesammelt werden darüber hinaus Übersetzungen deutscher Bücher in andere Sprachen, im Ausland erscheinende Germanica (fremdsprachige Bücher über Deutschland) und Literatur von deutschen Emigranten der Jahre 1933 bis 1945. Die Bibliothek katalogisiert die gesammelten Werke und macht sie der Öffentlichkeit zugänglich (reine Präsenzbibliothek, Fernleihe nur im Ausnahmefall), wenn gleich die Archivierung an erster Stelle steht.

Deutsche Teilung und Verschlusssachen

Während der deutschen Teilung bestanden die Standorte in Ost und West nebeneinander und sammelten alle Bücher doppelt. Sie tauschten sich auch aus, so dass die im Osten erschienene Literatur im Westen und die Westliteratur im Osten ankam. Wer sie allerdings im Osten zu lesen bekam, war eine andere Frage. Große Teile wurden vor der Öffentlichkeit unter Verschluss gehalten. Auch heute noch lässt die Bibliothek eine gewisse Vorsicht walten, was die Herausgabe bestimmter Literatur an die Öffentlichkeit angeht. Werke aus den Bereichen Faschismus sowie Erotik / Pornografie können nur zu (nachgewiesenen) wissenschaftlichen Zwecken eingesehen werden. Die gesamte Bibliothek darf nur von volljährigen Personen benutzt werden. Die Benutzung – auch die Führungen sowie museumspädagogische Angebote für Kinder - ist für jedermann kostenlos.

6.000 Neueingänge pro Tag

Es ist schier überwältigend sich vorzustellen, welche Menge an Neueingängen die Bibliothek täglich zu verarbeiten, also im Katalog zu erfassen und zu archivieren hat. Täglich erreichen 1.500 Printmedien die Bibliothek, hinzu kommen 4.500 Onlinepublikationen – am Tag! Da verwundert es nicht, dass zu dem historischen Gründungsgebäude inzwischen vier Erweiterungsbauten errichtet wurden und ein fünftes bereits in Planung ist. Die Bibliothek kauft nicht den gesamten Bestand. Jeder Verleger ist gesetzlich verpflichtet, kostenlos und unaufgefordert zwei Pflichtexemplaren jeder Publikation, eins für Leipzig und eins für Frankfurt, bei der Bibliothek abzuliefern.

Architektur


Das historische Gebäude am Deutschen Platz in Leipzig grüßt den Besucher schon von außen mit goldverzierten Flügeltüren und an der Fassade angebrachten Statuen bedeutender Dichter und Denker, u.a. Goethe und Bismarck. Im Foyer befinden sich vier farbige Mosaiken von Frauen, z.B. die Lesende und die Schreibende. (Warum lesende Frauen oft nackt dargestellt werden, verstehe ich allerdings nicht.)

Lesesaal von 1916
Besonders sehenswert sind die beiden älteren Lesesäle des historischen Altbaus. Die Säle sind nach Sachgebieten aufgeteilt. Der älteste Saal stammt von 1916 und beeindruckt durch wunderschöne dunkle Holztische und –stühle. An jedem Leseplatz sorgt eine grüne Bibliotheksleuchte für genügend Licht. Der Buchbestand ist in Regalen an den Wänden und auf einer herrlich knarzigen Galerie mit Holzaufgängen und –geländern aufgestellt. Einmal in diesem Saal über Nacht eingeschlossen werden und ihn ganz für sich haben … das wäre ein Traum!

Bauhaus-Lesesaal von 1937
Ebenfalls wunderschön, aber von ganz anderem Charme ist der Bauhaus-Lesesaal von 1937 in Weiß, Schwarz und Chrom. Historische Freischwinger stehen vor schlichten hellen Tischen mit Chrombeinen, dazu eine schwarze Leuchte an jedem Platz. Auch hier erhebt sich eine Galerie über den Saal, abgegrenzt mit Chromgeländer und Regalbeschriftungen aus Metallbuchstaben. Sogar einen alten Zettelkastenkatalog hat man aus historischen Gründen darin stehen lassen, obwohl der Bibliotheksbestand natürlich längst digital katalogisiert ist. Einfach schön!

Ganz nüchtern und funktional nimmt sich dagegen der dritte Lesesaal aus den 1960er Jahren, also der DDR-Zeit aus. Er erinnert eher an ein Klassenzimmer mit sehr einfachen Tischen und Stühlen ohne schmückendes Beiwerk oder Leseleuchten. Er erfreut sich deutlich geringerer Leserzahlen, die sich durch den nachträglichen Einbau von Steckdosen an den Leseplätzen für Laptops auch nur geringfügig erhöhten. Kein Wunder, wenn zwei solche Schmuckstücke von Lesesälen gleich nebenan zur Verfügung stehen.

Vierter Erweiterungsbau
Ausgeklügelt erscheint der vierte Erweiterungsbau der Bibliothek. Er sieht passenderweise von außen aus wie ein liegendes Buch! Die Fenster sind in verschiedenen Schattierungen gefärbt. Ordnet man jeder Farbe einen Ton zu, ergibt sich aus der Abfolge die vierte Goldberg-Variation von Bach. Die Stadt ehrt damit das Wirken Bachs in Leipzig und weist mit der Zahl vier auf den vierten Erweiterungsbau der Bibliothek hin.

Die Bibliotheksbauten sind unterkellert, um weiteren Archivraum zu schaffen und durch unterirdische Gänge miteinander verbunden. Eine elektrische Buchförderanlage transportiert Wannen mit Büchern vom Magazin zur Buchausgabe. Der Keller birgt außer Büchern noch andere Schätze, etwa alte Druckmaschinen, Schreibmaschinen oder Maschinen zur Herstellung von Drucklettern. Diese werden zu besonderen Gelegenheiten sogar in Betrieb genommen.

Deutsches Musikarchiv

Inzwischen ist das Deutsche Musikarchiv Teil der Nationalbibliothek, so dass auch Schallplatten, CDs, Noten und dergleichen gesammelt werden. Es gibt einen hoch modernen Musiklesesaal, in dem vier Plätze mit Digitalklavieren vorhanden sind, an denen über Kopfhörer die angeforderten Noten direkt gespielt werden können. Natürlich gibt es auch Hörkabinen, in denen man alle Tonträger anhören kann. Das Archiv verfügt über alte Grammophone, mit denen man sogar Schellackplatten anhören kann. Allerdings darf man diese nicht selbst auflegen, sondern sie werden von Mitarbeitern in die Kabine eingespielt.

Deutsches Buch- und Schriftmuseum

An die Bibliothek angeschlossen und im vierten Erweiterungsbau beheimatet ist das Deutsche Buch- und Schriftmuseum. In diesem kann der geneigte Besucher – ebenfalls kostenlos - verfolgen, wie aus Keilschrift und in Stein gehauenen Buchstaben langsam Schriftrollen, Inkunabeln und schließlich gedruckte Bücher entstanden, und wie sich die Entwicklung seitdem weiter vollzog bis hin zum eBook. Das Museum verfügt damit über deutlich ältere Exponate als die von der Bibliothek seit 1913 gesammelten Werke. Wie schade, dass der Messetag schon lang gewesen und Kopf und Füße langsam müde waren. Im Museum hätte es noch so viel zu sehen gegeben. Ich muss wiederkommen!


Ich danke der Deutschen Nationalbibliothek für die freundliche Erlaubnis zur Veröffentlichung meiner Fotos, sowie für die kurzweilige und informative Führung, bei der unsere Führerin unermüdlich sämtliche Fragen so kompetent und nett beantwortet hat. Es hat viel Spaß gemacht!

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