Auf die Idee zu dieser Reise ist Paulo eher zufällig
gekommen, nämlich als er die hübsche Holländerin Karla in Amsterdam kennenlernt.
Die Frau fasziniert ihn, was unter anderem daran liegt, dass er sonst niemanden
in der fremden Stadt kennt. Er ahnt nicht, wie dringend Karla einen
Reisegefährten für die weite Fahrt sucht. Jeder der Mitreisenden aus aller Welt
hat seinen eigenen Grund für diese Tour, sein ganz eigenes Ziel. Die einen sind
von Zuhause ausgerissen, die anderen sind auf einem inneren Weg zu Erleuchtung,
Selbsterkenntnis oder neuem Sinn. Nepal steht für Meditation, asiatische
Weisheit, Bewusstseinserweiterung und einfaches Mönchsleben. Angetrieben von
Vorbildern wie den Beatles, die 1968 zum Maharishi nach Indien geflogen waren,
um transzendentale Meditation zu lernen, wollen auch die Hippies im Magic Bus
den Buddhismus kennenlernen, freie Liebe und einfaches Leben in Frieden ohne die
Restriktionen der Elterngeneration verwirklichen, sich selbst finden. Dass
dabei auch Drogen wie LSD zu Hilfe genommen werden, versteht sich. Die
selbstbewusste, aber kühle Karla ist ferner auf der Suche nach der Liebe, der
Liebe zu einem Mann, zu sich selbst und der kosmischen Liebe zu allen Menschen
auf der Welt.
„Sie lauschte angestrengt in sich hinein, für den Fall, dass Gott sich an sie wandte, um mit ihr zu reden. Nachdem sie sich von der christlichen Kirche entfernt hatte, machte sie sich daran, nacheinander im Hinduismus, Taoismus, Buddhismus, in afrikanischen Kulturen und bestimmten Yogaschulen nach einer Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens zu suchen. Ein Dichter hatte vor vielen Jahrhunderten gesagt: ‚Das Licht des Lebens erfüllt das ganze Universum. Das Feuer der Liebe brennt und ermöglicht Erkenntnis.‘“ (S. 63)
Authentisch und nahegehend schildert Coelho in seinem Roman,
wie der Protagonist Paulo in Südamerika unschuldig von der Polizei
festgenommen, verhört und gefoltert wird. Dies beruht auf eigenen ähnlichen
Erlebnissen, wie aus der Nachbemerkung des Autors zu erfahren ist, so dass der Schrecken
sich echt anfühlt. Insgesamt schildert Coelho, der 1947 in Brasilien geboren wurde,
seine eigene Jugend. 1970 war er selbst 23 Jahre alt.
Weniger gelungen erscheint mir allerdings der Rest des
Roadtrips. Die einzelnen Stationen erscheinen wahllos aneinander gereiht, es
passiert – mit Ausnahme der Verhaftung – äußerlich nicht viel, so dass es zu
Längen kommt. Die Geschichte legt den Fokus auf die inneren Vorgänge der
Personen. Hier scheint aber eine deutliche Verklärung der Vergangenheit in der
Erinnerung des Autors eingesetzt zu haben. Die Sinnsuche der Hippies, die zu
ihrer Zeit mit großer Berechtigung und Vehemenz aus bestimmten
gesellschaftlichen Verhältnissen heraus entstanden ist, etwa der
Friedensbewegung gegen den Vietnamkrieg, verkümmert zu abgedroschenen Phrasen,
die ich an anderer Stelle schon deutlich besser gelesen habe. Wie ein LSD-Trip
sich anfühlt, haben wir alle schon hundertmal an anderer Stelle erzählt
bekommen, das ist nicht neu. Mitgerissen hat mich der Roman nicht, obwohl ich
sehr vertraut bin mit der Musik von Woodstock, den Beatles und den Themen
dieser Zeit.
„Wer aus Liebe handelt, der wird auf allen seinen Wegen einen unsichtbaren, wohlwollenden Schutz genießen und in schwierigen Augenblicken Ruhe bewahren können. Wer wirklich liebt, wird alles geben, ohne eine Gegenleistung zu erwarten, sich nur die Anwesenheit des geliebten Menschen an seiner Seite wünschen, das Gefäß des Lichts, die Schale der Fruchtbarkeit, den Schein, der den Weg erhellt.“ (S. 264)
Vielleicht kommt dieses Buch zu spät. Die Hippie-Bewegung
ist vorbei. Die Erinnerung an sie ist 50 Jahre später zu rosarot gefärbt, um
die Leidenschaft dieser Zeit wieder auferstehen zu lassen. Was bleibt, sind
Poesiealbumsprüche. Was in Coelhos berühmtem Buch „Der Alchimist“ noch mystisch
und bezaubernd als Lebensweisheit einer fernen Welt rüber kommt, wirkt hier
erstarrt und blutleer. Schade.
Sinnsuche der 68er
Generation in abgedroschenen Phrasen, rosarote Erinnerung an die vergangene
Jugendzeit des Autors. Das hat Coelho schon mal deutlich besser gemacht.
Hippie, Paulo Coelho, aus dem Brasilianischen von Maralde
Meyer-Minnemann, Diogenes Verlag Zürich 2018, 297 Seiten, 22,00 EUR
(Die Verwendung des Coverbildes erfolgt mit freundlicher
Erlaubnis des Verlags. Ich danke dem Verlag für das kostenlos zur Verfügung
gestellte Rezensionsexemplar.)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen